Wohin der Wind uns trägt
machen, du kennst das Geschäft. Ich hätte dich schon früher gefragt, aber ich wusste nicht, wo ich dich finden sollte. Bitte, Winks, ich brauche dich.«
Die Fähre näherte sich dem Anleger. Ein Fährbediensteter warf das Tau aus und klappte die Gangway aus. Winks machte einen Schritt Richtung Ausgang und ließ sich dann auf die nächste Sitzbank fallen.
»Nun, vielleicht ist das gar keine so schlechte Idee.« Er hielt inne. »Aber was ist mit deinem Dad? Glaubst du, dass der einen alten Narren wie mich wieder nimmt?«
Jo klatschte freudig in die Hände und fiel ihm um den Hals.
»Darauf kannst du Gift nehmen. Ich tue das nicht aus Mitleid, sondern brauche wirklich deine Hilfe. Also, abgemacht?«
»Abgemacht«, entgegnete Winks und wirkte mit einem Mal zehn Jahre jünger. Auf dem Rückweg nach Manly erzählte er angeregt von den alten Zeiten in der Kingsford Lodge. Einige der Geschichten kannte Jo bereits, andere waren ihr neu, und sie war überglücklich. Irgendwie würde sie das Dad schon beibringen. Und wenn es zum Erfolg beitrug, würde er seinen Stolz eben hinunterschlucken müssen.
Jo war außer sich vor Freude, Winks wiedergefunden zu haben. Und er selbst konnte sein Glück über die Rückkehr in die Kingsford Lodge kaum fassen. So hatten die beiden Gelegenheit, an ihre alte Freundschaft anzuknüpfen, und außerdem war Winks absolut zuverlässig. Er zeichnete die Zeiten der Pferde genau auf und verpasste nie die Bahnarbeit, ganz gleich, wie das Wetter auch sein mochte. Dank der aufeinander eingeschworenen Mannschaft – Archie, Pete und Winks – klappte der Alltag in den Ställen reibungslos.
Charlie erholte sich langsam und war inzwischen in eine Reha-Einrichtung verlegt worden. Allerdings war er noch immer rechtsseitig gelähmt und an den Rollstuhl gefesselt und gab nichts weiter von sich als die merkwürdige Silbenfolge, die niemand verstand.
»Nimm jeden Tag, wie er eben kommt, Mum«, meinte Jo, als sie beide stolz neben einem braunschimmernden Dreijährigen bei der Siegerehrung standen. Archie hielt die glänzende Plakette hoch über den Kopf. Es war sein dritter Sieg in Folge.
Am selben Abend rief Simon an und verkündete, er werde im September für einen Monat zu Besuch kommen.
»Bis dahin sind es nur sechs Wochen«, jubelte Jo.
»Also werden für den Tommy und mein Schwesterherz bald die Hochzeitsglocken läuten«, meinte Bertie, den Mund voller Erdbeer-Käse-Kuchen, als Jo an den Tisch zurückkehrte.
»Nenn ihn nicht Tommy!«, schimpfte Jo und bedachte ihren Bruder mit einem finsteren Blick.
Nina war plötzlich sehr mit dem Aufschneiden des Kuchens beschäftigt.
»Zum Teufel mit dir, Bertie«, knurrte Jo leise.
Ihr Bruder ging ihr zunehmend auf die Nerven. Außerdem hatte er sich in letzter Zeit angewöhnt, häufiger zum Essen vorbeizukommen. Und in der vergangenen Woche hatte sie ihre Mutter dabei ertappt, wie sie ihm zusätzlich zu seinem monatlichen Scheck Geld zusteckte. Ärgerlich hatte Jo ihrem Bruder vorgeschlagen, sich wie seine Kommilitonen einen Studentenjob zu suchen, anstatt seinen Eltern auf der Tasche zu liegen. Allerdings hatte sie nicht mit der abwehrenden Reaktion ihrer Mutter gerechnet. Das Gespräch hatte sich rasch zu einem heftigen Streit hochgeschaukelt, und anschließend hatte Jo sich zum ersten Mal seit dem Unfall schuldig gefühlt, weil sie ihre Mutter verärgert hatte. Doch ihrer Wut auf Bertie tat das keinen Abbruch.
»Warum fliegst du nicht nach Hawaii und triffst dich auf halber Strecke mit dem jungen Mann, damit ihr ein wenig Urlaub zusammen machen könnt?«, meinte Elaine, die für einige Tage zu Besuch war, in dem Versuch, die Wogen zu glätten.
Bei ihrer gestrigen Ankunft in Sydney hatte sie erschrocken festgestellt, wie erschöpft Jo wirkte. Das Mädchen brauchte dringend Abstand.
»Wie heißen die Freunde von dir und Charlie, die eine Ferienanlage auf den Inseln besitzen, Nina? Sicher werden sie Jo und Simon gern für ein paar Nächte bei sich aufnehmen, meinst du nicht? So wüssten wir, dass du in guten Händen bist, und ihr könntet gemeinsam ausspannen«, sagte sie, an ihre Enkelin gewandt.
Jo lächelte ihr zu.
»Connie und Will«, erwiderte Nina mit zweifelnder Miene.
Jo blickte zwischen ihrer Mutter und ihrer Großmutter hin und her.
»Los, ruf ihn an und frage ihn, ob er dazu Lust hätte. Den Rest planen wir später«, befahl Elaine und scheuchte Jo hinaus.
Jo ließ sich das nicht zweimal sagen.
»Und du brauchst nicht so schockiert
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