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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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hatte einen kleinen Zusammenstoß mit einem Scheunentor, Miss. Das wird schon wieder.«
    »Was für ein Pech«, erwiderte Jo zweifelnd.
    Sie nahm ihm die Erklärung mit dem Scheunentor keinen Moment ab. In England hatte sie genug Jockeys nach Prügeleien gesehen, um den Unterschied zwischen dem unsanften Kontakt mit einer Tür und dem mit einer Faust zu erkennen. Doch das freche, wettergegerbte Gesicht des jungen Mannes gefiel ihr.
    »Kommen Sie mit ins Büro, und erzählen Sie mir, warum Sie in der Kingsford Lodge arbeiten wollen«, meinte sie freundlich.
    »Eines Tages werde ich der größte australische Jockey aller Zeiten sein. Sie werden es nicht bereuen, wenn Sie mich einstellen«, begann Damien und umfasste die dampfende Kaffeetasse, die Jo ihm gegeben hatte, mit beiden Händen.
    »Ich habe noch nicht zugesagt«, entgegnete Jo, der sein schmerzliches Zusammenzucken beim Hinsetzen nicht entgangen war. »Wo machen Sie Ihre Ausbildung?«
    Während Damien berichtete, legte sich seine Großspurigkeit ein wenig, und Jo erfuhr, dass er unbedingt ein erstklassiger Jockey werden wollte. Er hatte bei verschiedenen Rennställen im ganzen Land gearbeitet und sich mehr schlecht als recht durchgeschlagen, bis Rosy Roesinger ihn schließlich als Lehrling eingestellt hatte. Rosy, der Besitzer der Phantom Lodge, war ein alter Freund und Rivale von Charlie.
    »Einige seiner Pferde sind ziemlich störrisch«, erklärte Damien.
    »Und seine Ställe haben viele Tore«, fügte Jo scherzhaft hinzu. Es überraschte sie, dass es bei Rosy Schwierigkeiten gegeben haben sollte. Hin und wieder kamen ihr Gerüchte über misshandelte Stallburschen und Pferde zu Ohren. Bei ihren wenigen Begegnungen hatte sie Rosy zwar immer als ausgesprochenen Macho empfunden, sein Verhalten war ihr jedoch stets angemessen erschienen. Obwohl gemunkelt wurde, dass er kühl und berechnend sei, galt er nicht als Mann, der grob mit seinen Mitarbeitern umsprang.
    »Das ist richtig, Miss«, erwiderte Damien tapfer und rutschte mit seinem mageren Körper schmerzgepeinigt auf seinem Stuhl herum.
    Geschwächt von Angst, Schlafmangel und schlechter Ernährung und außerdem nicht an freundliche Worte gewöhnt, war Jos Anteilnahme der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Er brach in Tränen aus.
    »Dieser Mistkerl ist einfach auf mich losgegangen, und dabei hatte ich gar nichts angestellt. Ich kam gerade von der Bahnarbeit, und da hat sich dieser Schweinehund – Verzeihung, Miss – auf mich gestürzt. Er musste seine Wut an jemandem auslassen, und ich war der Kleinste.« Er wischte sich mit einer schmutzigen Hand die Augen ab.
    Jo bekam Mitleid mit dem kleinen Burschen.
    »Wer ist ›er‹?«, erkundigte sie sich zweifelnd. Rosy Roesinger war in ihrer Achtung bereits ein gutes Stück gesunken.
    »Mr Roesingers neuer Stallmeister, Kurt soundso, irgendein ausländischer Name. Man nennt ihn auch den ›eisernen Schleifer‹.« Er sah Jo an. Zorn und Verzweiflung standen ihm ins mitgenommene, tränenüberströmte Gesicht geschrieben.
    Jo traute ihren Ohren nicht.
    »Kurt Stoltz?«, fragte sie, und plötzlich war ihr alles klar. Damiens Verletzungen waren ganz sicher sein Werk.
    »Richtig, Miss. Er ist vor Kurzem aus England zurückgekommen. Mir erzählte er immer, ich wäre ein hoffnungsloser Fall …« Erschrocken über seine Offenheit, hielt er inne. »Ich habe nie schlecht über ihn geredet, Miss. Bitte.«
    Mühsam stand er auf, geriet ins Schwanken und hielt sich am Schreibtisch fest, bis der Schwindelanfall vorbei war.
    »Am besten gehe ich wieder. Eine Heulsuse wie mich können Sie ganz bestimmt nicht brauchen. Keine Ahnung, warum ich Ihnen mein Herz ausgeschüttet habe, aber trotzdem danke, Miss. Sie sind eine echte Dame.« Er zog die Mütze und wandte sich zur Tür.
    »Keine Angst, Damien, ich habe nichts gehört. Und Sie irren sich: Ich würde mich freuen, wenn Sie bleiben. Einen Mitarbeiter mit Ihrem Mut und Ihrer Entschlossenheit hätte ich gern in meiner Mannschaft. Es hat Sie sicher einige Überwindung gekostet, einfach zu mir zu kommen und sich vorzustellen. Es dürfte kein Problem sein, Ihre Ausbildung in der Kingsford Lodge fortzusetzen.«
    Sie nickte und musste ihren Zorn auf Kurt unterdrücken. Offenbar war der Mann doch nicht der Waschlappen, für den Simon ihn gehalten hatte. Das würde sie ihm heimzahlen. Plötzlich wurde sie von einem Hochgefühl ergriffen. Auch wenn es ihr vielleicht nicht gelang, aus Damien den größten australischen

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