Wohin der Wind uns trägt
heißen? Ich bin nicht merkwürdig.« Phillip schwieg, und Jo begann rasch zu erzählen, denn im Schutz der Morgendämmerung fiel ihr das leichter. »Er hat einen Roman geschrieben.«
Sie schob die Hände tief in die Jackentaschen.
»Er handelt von zwei Menschen, die … na ja, von zwei Menschen eben, und spielt in Norfolk, wo Simon früher mit mir hingefahren ist.« Sie zuckte die Achseln, und die hastig hervorgestoßenen Worte blieben zwischen ihnen in der Luft hängen. »Ach, es ist nur … nun, er schreibt wirklich gut und hat alle möglichen Gefühle aufgerührt, über die ich eigentlich hinweg zu sein geglaubt habe.«
Sie hatten das Auto fast erreicht.
»Er sagt, er werde im November eine Lesereise durch Australien machen.«
So, nun war es heraus. Sie wusste nicht, warum sie Phillip das alles erzählte, aber sie wollte ihm nichts vormachen.
»Er hat Glück. Für einen unbekannten Autor ist das kein schlechter Anfang«, erwiderte Phillip, nahm den Autoschlüssel aus der Tasche und hatte Mühe, sich zu beherrschen. Der bloße Gedanken daran, dass Simon wieder eine Rolle in Jos Leben spielen könnte, brachte ihn fast um.
»Ja, das stimmt«, antwortete Jo.
Ein wenig ruhiger stieg sie in Phillips Wagen und begann zu fachsimpeln. Bis sie bei den Ställen ankamen, hatte Phillip seine Gefühle wieder im Griff.
Die nächsten beiden Monate waren sehr anstrengend für Jo. Sie war fest entschlossen, sich nicht geschlagen zu geben, obwohl sie immer mehr unter den Beschuss der Medien geriet, die einerseits den Untergang ihres Rennstalls beschworen und sie andererseits aufforderten, ihrem eigenen Anspruch gerecht zu werden und selbst die Trainerlizenz zu beantragen.
Jo stürzte sich mit Feuereifer in die Arbeit mit den Vollblütern, fragte ihrem Vater Löcher in den Bauch, verlangte ihren Bereitern Höchstleistungen ab und ließ sich nicht anmerken, wie sehr sie um die Zukunft der Kingsford Lodge fürchtete. Gleichzeitig grübelte sie über Simons plötzliches Auftauchen und seinen bevorstehenden Besuch in Australien nach. Immer noch war sie von den Problemen ihres Alltags so in Anspruch genommen, dass sie sich über ihre Gefühle für ihn nicht mehr im Klaren war: Charlie war noch zu krank, um die Leitung des Rennstalls zu übernehmen, und Jo hatte keine Ahnung, wie ihr zukünftiges Verhältnis zu Phillip aussehen sollte.
Sie fühlte sich zu unausgeglichen und aufgewühlt, um jemanden an sich heranzulassen – am allerwenigsten den Mann, in den sie sich wider Willen immer mehr verliebte. Sie wusste, dass sie seine Gegenwart viel zu selbstverständlich nahm. Die liebevolle Zärtlichkeit, die er auf der Rückfahrt von Tamworth gezeigt hatte, war tief in ihrem Gedächtnis und in ihrem Herzen verankert. Und sie wusste, dass sie ihn mit ihrer Trauer über ihre verlorene Liebe zutiefst verletzte. Dennoch war er wie immer für sie da gewesen. Er gab ihr den Mut, auch in den dunkelsten Phasen des Lebens weiterzukämpfen. Das bedeutete nicht, dass er ihr die Entscheidungen abnahm. Vielmehr war er der Mensch, mit dem sie sämtliche Situationen in Gedanken durchspielen konnte, und er verlangte dafür nichts von ihr. Doch nun, da Simons Ankunft in Australien nicht mehr fern war, musste sie zu einer Entscheidung kommen. Stirnrunzelnd sah sie zu, wie Phillip ein Pferd untersuchte, das Schwierigkeiten mit einem seiner Hufe gehabt hatte.
»Es heilt ausgezeichnet«, stellte Phillip fest und tätschelte liebevoll die Flanke des Tiers.
Anschließend überraschte er sie mit der Mitteilung, Dr. Zinman habe darauf bestanden, dass er im nächsten Monat einen Klienten nach Hongkong begleite. Ein anderer Tierarzt werde währenddessen die Kingsford Lodge betreuen.
»Ich weiß, der Zeitpunkt könnte nicht schlechter gewählt sein, aber mir bleibt nichts anderes übrig. Wenn Freddy sich etwas in den Kopf setzt, lässt er sich nicht davon abbringen, und er besteht nun einmal darauf.« Phillip schenkte Jo ein schiefes Lächeln. »Ich komme wieder, Schneewittchen, keine Angst, und werde auf meinem Streitross in den Stall preschen, gerade noch rechtzeitig, um Let’s Talk auf Vordermann zu bringen.«
Er machte Platz, damit ein Pferdepfleger den Braunen in den Box führen konnte. Hufe klapperten auf dem Beton.
»Das passt wirklich ausgesprochen schlecht. Kann er denn niemand anderen finden, der seinen kostbaren Klienten betütert?«, schimpfte Jo. Phillip sah Jo forschend an.
»Tut mir leid. Ich habe kein Recht, dich so anzupflaumen«,
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