Wohin der Wind uns trägt
ihrer Freundin. Jo versprach Phillip und Pete, sie werde sich in einer Stunde telefonisch melden, und stieg mit Emma in ein Taxi, um in ein ruhiges Café in Melbourne zu fahren, wo sie ungestört waren.
Bei Cappuccino und Kuchen redeten sie zwei Stunden lang ununterbrochen. Emma erzählte Jo aufgeregt, wie prächtig sich ihre Karriere entwickelte und dass man sich auf der ganzen Welt um sie riss. Jo wiederum berichtete von den Höhen und Tiefen ihres Berufs.
»Aber ich tue das, was ich immer tun wollte. Das gilt für uns beide«, schloss sie mit leuchtenden Augen. Emma nickte und strich sich das lange kastanienbraune Haar aus dem Gesicht.
»In den USA ist es zwar schön, aber man muss hart arbeiten. Es geht zu wie im Dschungel, und jeder hat es auf jeden abgesehen … Na ja, zumindest bis ich Davie kennengelernt habe«, erklärte sie lachend. »Wir sind uns auf einer Party zu Ehren eines neuen Modeschöpfers über den Weg gelaufen, und es hat klick gemacht. Ich konnte es nicht fassen. Oh, Jo, ich war noch nie im Leben so glücklich. Sogar die Medien haben in der Regel nichts an uns herumzumeckern. Du lernst ihn heute Abend auf dem Ball kennen.«
»Ich platze schon vor Neugier. Jedenfalls scheint er einen guten Einfluss auf dich zu haben.«
Die gute alte bodenständige Emma. Sie hatte sich überhaupt nicht verändert. Nur der traurige Ausdruck in ihren Augen war von einem strahlenden Leuchten abgelöst worden, und Jo wurde fast ein wenig neidisch.
»Was ist mit dir?«, fragte Emma, die Jos Stimmungswandel erahnte.
»Ich weiß nicht so recht«, begann diese. »Gut, eigentlich weiß ich es schon. Ach, Emma, ich bin so durcheinander. Phillip ist ein echter Schatz. Er ist gütig und sanft und rücksichtsvoll und hat auch sonst alles, was man sich von einem Mann wünschen kann, und es lief prima, bis …«
Sie hielt inne und spielte mit ihrer Kaffeetasse herum, und ihre Gefühle schnürten ihr plötzlich die Kehle zu.
»Simon kommt nach Australien, und ich weiß nicht, was ich machen soll. Einerseits sehne ich mich danach, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen, andererseits … Das Problem ist … Ich weiß nicht … Ich habe Simon so sehr geliebt …« Sie verstummte, Tränen in den Augen.
»Du wirst sicher eine Lösung finden«, meinte Emma leise und drückte Jo sanft die Hand.
»Ganz sicher. Ich bin nur so ratlos«, erwiderte Jo und wischte sich die Augen. Es kostete Mühe, überzeugend zu klingen.
»Du musst dir überlegen, was du wirklich willst. Du hast es dir verdient. Schließlich hast du hart dafür gearbeitet. Schau, was du geschafft hast, und offenbar bedeutet es dir sehr viel.« Emma sah auf die Uhr. »Ach, du meine Güte, Jo. Es tut mir wirklich leid, aber ich muss zu einem Interview. Die haben mir so viele Termine aufgebrummt, dass mir der Kopf schwirrt.«
»Wir reden heute Abend auf dem Ball weiter«, erwiderte Jo lächelnd und erleichtert, dass das Thema Liebesleben offenbar abgehakt war. Sie rief ein Taxi und brachte Emma zurück zu ihrem Hotel am anderen Ende von Melbourne.
»Bis heute Abend. Zieh etwas Enges und Gewagtes an«, meinte Emma grinsend, sprang aus dem Wagen und hastete die Hoteltreppe hinauf.
»Da kannst du Gift darauf nehmen«, gab Jo schmunzelnd zurück. »Zum Grand Hyatt bitte«, sagte sie zum Taxifahrer und winkte Emma nach, die im Hotel verschwand.
Obwohl inzwischen ein berühmtes Fotomodell, war ihre alte Freundin die Emma geblieben, die Jo kannte und liebte. Es war schön, sie glücklich zu sehen. Doch seit Jo Simon erwähnt hatte, zitterte sie wieder am ganzen Leibe. Sie war völlig durcheinander, dabei lag das alles ewig zurück …
Jo benetzte ihre Handgelenke mit einem Tropfen Parfüm, griff nach Abendtasche und Stola und trat aus ihrem Zimmer auf den Hotelflur hinaus. Ihr schlichtes, figurbetont geschnittenes, goldbeiges Ballkleid schimmerte bei jeder Bewegung. Ihre Schultern waren nackt bis auf schmale Spaghettiträger, und auf ihrer hellen Haut funkelte eine einzige Perle. Sie rief den Aufzug zum Erdgeschoss und hatte Herzklopfen.
»Du siehst bezaubernd aus«, sagte Phillip, der aus der Menschenmenge auf sie zukam. Seine kräftige Gestalt steckte in einem Smoking, sein dichtes braunes Haar war zur Abwechslung ordentlich gekämmt. Ein wohliger Schauer durchlief Jo, denn er strahlte eine greifbare Sinnlichkeit aus, die ihr vorher nie aufgefallen war. Heute Abend verhieß ihr Kuschelfreund mehr als nur freundschaftliche Umarmungen.
»Offenbar bin ich vor
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