Wohin der Wind uns trägt
lauter Schlafmangel und Anspannung nicht mehr ganz klar im Kopf«, sagte sie sich und schenkte ihm ein betörendes Lächeln.
Phillip konnte den Blick nicht von ihr wenden. Schließlich zwang er sich, in die Wirklichkeit zurückzukehren, bot ihr den Arm und ging mit ihr hinaus zum Taxistand vor dem Hotel. Auf der ganzen Fahrt zum Hilton-on-the-Park und auch später, als Jo ihn mit seiner Exzellenz Prinz Satu und den Michaelsons aus Toorak bekannt machte, musste er sie anstarren. Er war hingerissen. Sie hatte ihre Rundungen an genau den richtigen Stellen, und die festen Brüste lugten verführerisch aus dem Ausschnitt der golden schimmernden Robe. Eine ungehemmte Sinnlichkeit ging von ihr aus, die das Verlangen in ihm schürte. Er konnte kaum fassen, dass das dieselbe Frau war, die Tag für Tag in schmutzigen Jeans und schlabbrigen Männerhemden an seiner Seite arbeitete. Nie hätte er gedacht, dass sie so atemberaubend schön aussehen konnte.
»Erde an Phillip, Erde an Phillip«, flötete Jo und rüttelte ihn am Arm. Emma, die in ein dramatisch schlichtes, schwarzgoldenes Abendkleid gehüllt war, gesellte sich mit ihrem Freund, dem Rockstar, zu ihnen.
Phillip wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Party zu und nickte bei der gegenseitigen Vorstellung höflich. Nachdem er zwei Champagnergläser vom Tablett eines vorbeieilenden Kellners genommen hatte, beteiligte er sich am Geplauder.
Davie entsprach genau Emmas Beschreibung – sehr groß, mit geheimnisvollen dunklen Augen, einem vom Leben gezeichneten Gesicht und einem rot gefärbten Haarschopf. Er sorgte rasch für eine lockere Stimmung, indem er alberne Witze riss und sich lautstark unterhielt. Dabei war nicht zu übersehen, dass er Emma vergötterte. Dass er im Gegensatz zu seiner Verlobten nicht das aristokratische Englisch der Oberschicht sprach, fiel überhaupt nicht ins Gewicht. Bald redeten alle miteinander wie alte Freunde.
»Ich weiß nicht, warum du Zweifel hast. Der Typ ist eine Wucht«, flüsterte Emma Jo ins Ohr. Jo spürte, wie ihr die Röte den Hals hinunter und bis zu den Schultern kroch.
»Er ist sehr nett«, stimmte sie leise zu.
»Nett? Ach so, du stehst offenbar wirklich auf ihn«, flüsterte Emma mit vielsagender Miene.
Es wurde zu Tisch gebeten, und Emma und Jo gingen am Arm ihrer Tischherren durch einen prachtvollen Bogen aus duftenden Frühlingsblumen in den Speisesaal. Beim Anblick der Dekoration schnappte Jo begeistert nach Luft. Man hatte keine Kosten gescheut. Die Tische waren mit Tüchern aus gestärktem schwarzem Leinen und gefalteten weißen Servietten gedeckt. Kristall und poliertes Silber funkelten um die Wette. Hohe Osterlilien quollen aus mannshohen Glasvasen. Der ganze Raum bot sich dar wie ein prachtvolles Gemälde in Schwarz und Weiß. In einer Ecke jenseits des polierten Holzbodens der Tanzfläche spielte eine zwanzigköpfige Kapelle leise Musik.
Für Jo verging der Abend in einem Wirbel aus köstlichem Essen, Ausgelassenheit und Gelächter. Sie fühlte sich seit einer Ewigkeit zum ersten Mal wieder ganz entspannt. In Gegenwart von Davie mit seinem dröhnenden Lachen war es unmöglich, ernst zu bleiben, und Emma und Phillip verstanden sich ebenfalls prächtig. Immer wieder warf Jo einen prüfenden Blick auf Phillip, der in seinem Abendanzug einfach unverschämt gut aussah. Jedes Mal ertappte sie ihn dabei, wie er zu ihr hinüberschaute, und ihr Herz begann zu klopfen. Schließlich konnte Phillip die Sehnsucht, Jo in den Armen zu halten, die ihm schon den ganzen Abend fast den Verstand raubte, nicht mehr zügeln.
Er beugte sich zu ihr hinüber und raunte ihr ins Ohr: »Erweist du mir die Ehre, mit mir und meinen beiden linken Füßen zu tanzen?« Dann küsste er ihr, ein schalkhaftes Funkeln in den Augen, die Hand. Jo schob ihren Stuhl zurück, machte einen Schritt auf ihn zu und stellte zu ihrem Erstaunen fest, dass sie sehr nervös war. Anfangs stolperten sie herum, entschuldigten sich unentwegt und traten einander, begleitet von Jos unverständlichen Anweisungen, auf die Zehen. Dann wurden sie beide lockerer, und Phillip umfasste fest Jos Taille.
»Du bist die schönste Frau im ganzen Saal«, murmelte Phillip. Da Jo nicht wusste, was sie darauf erwidern sollte, konzentrierte sie sich aufs Tanzen. Nach einer Weile gelang es ihnen sogar, den Takt zu halten, und er führte sie über die Tanzfläche, bis die Melodie verklang und sie erschrocken stehen blieben.
»Wir haben es geschafft«, meinte Phillip lachend. Er
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