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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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zittern. Sie hätte Winks umarmen können. Im Grunde ihres Herzens ahnte sie schon seit einer ganzen Weile, dass sie Probleme damit hatte, wieder in den Sattel zu steigen. Und mit jedem neuen Tag nach Ricks Tod war ihre Gewissheit stärker geworden, dass sie nie wieder im Sattel sitzen würde.
    Doch unter Winks Anleitung trottete und trabte sie nun um den Platz, und ihr Selbstvertrauen wuchs mit jedem Schritt. Zwei Stunden später hatte sie nicht nur sämtliche Dressurübungen absolviert, sondern auch einige Hindernisse übersprungen, und die Zusammenarbeit mit Fizzy hatte sich wieder eingespielt.
    Auf dem Rückweg zur Kingsford Lodge war ihr zum ersten Mal seit dem Tod ihres Bruders leicht ums Herz. An diesem Wochenende würde sie für Rick den Pokal gewinnen. Nein, für Rick und Winks. Im Hof angekommen, glitt sie aus dem Sattel und fiel dem alten Mann um den Hals.
    »Ich liebe dich«, jubelte sie, und endlich funkelten ihre Augen wieder. – »Nun kann dir nichts mehr passieren, Mädchen«, erwiderte Winks mit belegter Stimme. Jo war eine Siegernatur wie ihr Vater, so viel stand für ihn fest.
    Mit der für Australien typischen merkwürdigen Logik erstreckten sich sogenannte Ein-Tages-Veranstaltungen meist über zwei Tage. Turniere fanden getrennt nach Ponyclubs und Bezirken statt. Und wenn an einer Prüfung Teilnehmer aus verschiedenen Ponyclubs und Bezirken beteiligt waren, wurden die Gruppen nach Clubs und Bundesstaaten eingeteilt.
    Inzwischen war der zweite Tag des Martha-Wellbourne-Turniers schon fast vorbei. Da es sich um eine Bezirkskonkurrenz handelte, wurde es auf Privatgelände ausgetragen. Diesmal war Duffy’s Forest an der Reihe, wo die Strecke hügelig und ziemlich schwierig war.
    Jo war von Fizzys Leistung bei der gestrigen Dressurprüfung begeistert gewesen. Heute war sie bereits vor Sonnenaufgang auf den Beinen, und inzwischen schmerzten ihr die Finger, denn sie hatte Fizzys dicke, grobe Mähne mit Rosetten gebändigt, ihn gestriegelt und den oberen Teil seines Schweifs geflochten. Dann hatte sie Dianne geholfen, den Schweif ihres lebhaften Wallachs Cuddles mit einem Haarteil zu verlängern, denn der war nicht so üppig wie Fizzys.
    Martha Wellbourne, eine englische Pferdenärrin, die in den 1950er-Jahren nach Australien gezogen und 1961 dort gestorben war, wurde in Ponyclub-Kreisen verehrt. Da sie viel Wert auf die äußere Form gelegt hatte, spielten Aufmachung und Präsentation bei dem nach ihr benannten Wettbewerb eine große Rolle. Jo trug die beim Dressurreiten vorgeschriebene formelle Kleidung, bestehend aus dem braunen Pullover des Eastern-Suburb-Ponyclubs, einer hellblauen Bluse, der Clubkrawatte und einer beigen Reithose. Ihr von einem Haarnetz zusammengehaltenes Haar lugte unter der Reitkappe hervor. Jo wusste, dass sie sehr schick aussah. Nach Abschluss ihrer Darbietung ritt sie mit Fizzy im Schritt die Mittellinie des Dressurrings entlang, um die Jury zu grüßen. Das goldene Fell des Pferdes schimmerte in der Morgensonne und auf seinem Pelham-Zaum. Jo wäre fast geplatzt vor Stolz.
    Am Nachmittag hatten sie und Dianne zu Fuß den Querfeldeinparcours abgeschritten, der auf einer Wiese neben dem Dressur- und Sprungreitplatz abgesteckt war. Jo ging durch das raschelnde, hüfthohe und trockene Gras und nahm mit den anderen Reitern und deren Eltern die Hindernisse in Augenschein. Dabei hatte sie gehört, wie Mrs Gibbs ihrer Tochter Ratschläge gab und sie ermutigte. Das versetzte ihr einen Stich ins Herz, denn ihre Mutter interessierte sich nie dafür, was sie im Ponyclub trieb, und ihr Dad war meistens zu beschäftigt, um sich um sie zu kümmern.
    Während sie den Brustschutz an Fizzys Sattel befestigte, damit dieser während des Querfeldeinrennens nicht nach vorn rutschte, ging sie die Hindernisse in Gedanken noch einmal durch. Der Wassergraben war ihre größte Sorge. Da sie Fizzys Abneigung gegen Wassergräben kannte, hatte sie das Hindernis von allen Seiten begutachtet. Vor dem Zaun war genügend Platz zum Anreiten. Nun musste sie nur darauf achten, dass Fizzy ruhig blieb. Wenn sie ihm keine Zeit zum Nachdenken gab, würden sie es sicherlich schaffen.
    Inzwischen bereute sie ihren Gefühlsausbruch gegenüber Winks und war ihm unbeschreiblich dankbar dafür, dass er so hart mit ihr und Fizzy trainiert hatte. Das einzige Ereignis, das dieses ansonsten so wunderschöne Wochenende überschattete, war, dass Selena McFarlan ihre hinterhältige Fuchsstute Cassie zu dicht an Fizzy

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