Wohin der Wind uns trägt
Sieger des Melbourne-Cups gezüchtet wurden. Doch trotz der überall sichtbaren Spuren des Verfalls fühlte Jo sich sofort wieder wie zu Hause, und sie blickte aufgeregt aus dem halb geöffneten Autofenster. Eine Hand leicht auf Sams Halsband gelegt, hielt sie Ausschau nach den Pferden auf den Koppeln. Als sie sich den Ställen näherten, sah Jo zwei Fohlen, die bei ihren Müttern tranken, und sie schluckte. Bei ihrem letzten Besuch hatte Rick die Fohlen als Erster gesehen. Sam saß hechelnd neben ihr, richtete sich auf und wedelte winselnd mit dem Schwanz. Jo entdeckte Elaine, die vor dem großen alten, aus dem hiesigen Sandstein erbauten Haus stand. Rasch wischte sie sich die Tränen weg und begann, wie wild zu winken und zu rufen. Den breitkrempigen Strohhut in einer behandschuhten Hand, kam Elaine auf sie zugeeilt. In der anderen Hand hielt sie eine kleine Gartenschippe. Jo und Sam sprangen aus dem Fahrzeug, noch ehe es richtig stand.
»Den ganzen Tag halte ich schon Ausschau nach euch. Ich musste mich irgendwie beschäftigen, um mich abzulenken«, rief Elaine atemlos. »Ach, ich freue mich ja so, dass du da bist. Wir beide werden uns prima amüsieren«, sagte sie, ein strahlendes Lächeln im Gesicht. Jo fiel ihr um den Hals, während Sam kläffend und mit heftigem Schwanzwedeln um sie herumrannte.
Nachdem Elaine sich aus Jos Umarmung befreit hatte, zog sie die Handschuhe aus, stopfte sie in die großen Taschen ihres Rockes und strich sich die Bluse glatt.
»Du wirst mit jedem Tag hübscher, mein Kind. Aber deine Gran ist immer noch größer als du«, kicherte sie, um die Stimmung aufzulockern. Sie hatte Angst, dass dieser Ort traurige Erinnerungen in Jo wachrufen könnte.
»Nur ein kleines Stück«, erwiderte Jo lachend und richtete sich zu voller Größe auf. Ihre Großmutter überragte sie lediglich um wenige Zentimeter.
»Jedenfalls musst du noch wachsen. Erzähl mir, was du in letzter Zeit so getrieben hast«, meinte Elaine, hakte Jo unter und ging mit ihr zum Haus.
»Wie schön es hier ist«, stellte Jo fest und blieb stehen, um die Kletterrosen zu bewundern, die sich in üppiger Pracht an der Wand emporrankten. Schwere rosarote Blüten hingen herunter bis über die Fensterscheiben. Die Blumenbeete entlang der Veranda, in denen Elaine bei ihrer Ankunft gerade gearbeitet hatte, prangten in leuchtenden Farben.
Obwohl man dem Garten die liebevolle Pflege ansah, hatten die Holzteile einen neuen Anstrich bitter nötig. Die Fliegengittertür vor dem Eingang hing schief in den Angeln, und auf dem Dach, wo dringend einige Dachpfannen ersetzt werden mussten, flatterte eine ausgeblichene blaue Plane. Trotz der Anzeichen des Verfalls hatte Dublin Park, das hoch über dem Tal aufragte, seine majestätische Ausstrahlung nicht verloren. Jo betrachtete die geschwungenen grünen Hügel, die sich in alle Richtungen erstreckten, und spürte einen Kloß im Hals. Sie wandte ab und bemerkte zu ihrem Erstaunen, wie Elaine verstohlen eine Träne wegwischte.
»Gran«, flüsterte sie. Auch sie spürte ein Brennen in den Augen und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Die ausgelassene Stimmung war mit einem Mal wie weggeblasen. Elaine tätschelte Jo die Hand und schniefte. Keine von ihnen sagte ein Wort, aber Jo wusste, dass sie beide an Rick dachten.
»Du siehst blass aus, mein Kind. Es gibt nichts Besseres als gute Landluft, damit du wieder rosige Wangen bekommst. Außerdem musst du etwas essen. Du hast eine lange Fahrt hinter dir«, meinte Elaine übergangslos.
»Ich werde mich von dir aufpäppeln lassen«, antwortete Jo vergnügt. In dem Versuch, die ausgelassene Stimmung wieder heraufzubeschwören, machte sie einen Satz auf die Veranda und begann, an einem Holzbalken zu schaukeln. Ihre Umhängetasche wurde dabei hin und her geschleudert.
In diesem Moment kam ein beleibter, altersgrauer Hütehund herbeigestürmt und bellte Sam wütend an. Sam ging sofort zum Angriff über, wedelte heftig mit dem Schwanz und machte sich, ebenfalls laut bellend, quer durch die Blumenbeete an die Verfolgung des Widersachers. Jo rief Sam zurück, aber der gehorchte zu ihrer Verlegenheit nicht. Nach einigen barschen Befehlen von Elaine trollte sich der Hütehund in seinen Korb auf der Veranda. Sam musste sich eine strenge Standpauke von Jo gefallen lassen und legte sich hechelnd unter einen Baum. Von dort aus behielt er das Geschehen aufmerksam im Auge und wirbelte mit dem Schwanz den Staub auf.
»Diese Tölen! Rupert wird
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