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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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nur erzählen, wie das hier so ist. Schau, die Sonne versucht durchzukommen.« Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und angelte eine Socke unter dem Bett hervor.
    »Klingt, als wäre sie genau mein Fall. Aber solange sie keine Moderedakteurin ist, die mir ins Ohr kreischt, kann sie sein, wie sie will.« Jo grinste und beschloss, sich endlich der Kälte zu stellen. In ihrem Baumwollnachthemd huschte sie über den abgewetzten Teppich, riss das Fenster auf und holte tief Luft. »Ah, es riecht so frisch hier.«
    In der Nacht hatte es kräftig geschneit, und überall wimmelte es von den Fußabdrücken winziger Vögel. Der dunstige Sonnenschein ließ den Schnee funkeln wie Diamanten, und die frische Brise sorgte dafür, dass sich Jos Wangen röteten. Fröstelnd zog sie den Kopf zurück und schloss das Fenster.
    »Brrr, gibt es in England keine Zentralheizung?«, rief sie aus und rieb sich die Arme.
    »Tante Sarah ist eine überzeugte Gegnerin des Heizens. Warum der gesunden Natur ins Handwerk pfuschen? Das härtet ab.« Schmunzelnd zog Emma sich Kniestrümpfe über die Strumpfhose. »Aber heißes Wasser gibt es mehr als genug.«
    »Na, klasse.« Jo griff nach ihrem Handtuch und verschwand im Bad.
    Zwanzig Minuten später gesellte sie sich, mit einem dicken grünen Pulli über einem weißen Polohemd und einer schwarzen Kordhose bekleidet, zu Emma in den großen Frühstücksraum, der einen Ausblick auf die Felder rund um das Haus bot. Die beiden Mädchen labten sich an dampfendem Haferbrei, gefolgt von Toast mit hausgemachter Orangenmarmelade. Der Ölofen brannte auf so niedriger Stufe, dass er den Raum kaum erwärmte.
    Tante Sarah kam herein. Sie trug einen dicken Mantel über Tweedrock und Wollpullover. Ihr Gesicht war ungeschminkt, und ihre Nase von der Kälte gerötet. Das Paisleytuch hielt sie in der Hand.
    »Heute Abend um Viertel nach sieben fahren wir zu den Hiscott-Halls, Emma«, verkündete sie und nahm die Autoschlüssel vom Haken neben dem Bücherregal. »Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen, Jo. Sie waren ja ziemlich müde. Ich fahre in die Stadt, um Wein und einige Kleinigkeiten für Frances zu besorgen. Warum führst du Jo nicht ein wenig herum, Emma? Im Kühlschrank steht kalter Fasan, und in der Speisekammer sind noch Eier und Suppe. Ein ordentlicher Spaziergang wird euch beiden guttun. Nehmt Winston und Churchill mit, sie brauchen dringend Auslauf.« Nachdem sie sich das Paisleytuch umgebunden hatte, marschierte sie hinaus.
    »Das bedeutet, dass wir um Punkt Viertel nach sieben Gewehr bei Fuß in der Vorhalle stehen müssen«, meinte Emma, während der Mercedes davonfuhr. »Ich liebe Tante Sarah, und sie ist eine wundervolle Frau. Doch in diesem Haus hat alles seinen Platz und muss pünktlich auf die Minute vonstattengehen. Sie, nicht ihr Vater, hätte in die Armee eintreten sollen. Komm, ich stelle dich unseren Nachbarn vor. Das ist nur ein paar Kilometer die Straße hinunter.«
    Die beiden Mädchen pfiffen nach den Hunden und machten sich, die kurvige Straße entlang, auf den Weg zum Nachbaranwesen. Die Furchen des Weges waren unter dem weichen Schnee gefroren, und immer wieder knirschte Eis unter ihren Füßen.
    »Weißt du, ich habe gehofft, dass es so schön sein würde«, seufzte Jo zufrieden.
    So entspannt hatte sie sich nicht mehr gefühlt, seit sie aus Australien fortgegangen war. Sie rüttelte an einem Ast und sah zu, wie der Schnee, in der Morgensonne glitzernd, zu Boden rieselte. Sie lief weiter, schüttelte einen zweiten Ast und versuchte, den Schnee mit den Händen aufzufangen.
    »Du tust, als hättest du noch nie zuvor Schnee gesehen«, meinte Emma lachend.
    »Na und?«, erwiderte Jo und tollte hinter den Hunden her. Emma hob eine Hand voll Schnee auf, rannte Jo nach, warf einen Schneeball nach ihr und traf sie an der Schulter. Churchill fing an zu bellen, während Winston in die entgegengesetzte Richtung davonstob.
    »Hey, jetzt ist mir Schnee in den Kragen gefallen«, schimpfte Jo und revanchierte sich umgehend.
    Bald entbrannte eine heftige Schneeballschlacht. Die beiden Mädchen sprangen fröhlich hin und her und stolperten dabei immer wieder über die Hunde, die zwischen ihnen im Kreis herumliefen und versuchten, die fliegenden Schneebälle zu fangen. Zweimal wäre Jo beinahe gestürzt, und sie spürte, wie kalter Schnee ihr unter die Jacke drang, worauf sie Emma noch eifriger bewarf. Als die zwei schließlich lachend und atemlos innehielten, waren ihre Wangen gerötet, und ihre Augen

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