Wohin der Wind uns trägt
war.«
Dankbar schüttelte Jo den Neuankömmlingen die Hand.
»Jo, meine Liebe, das sind Mr und Mrs Compton, die Besitzer eines erfolgreichen Rennstalls nicht weit von hier«, fuhr Frances fort. »Eins sage ich Ihnen, Guy, Ihre Pferde führen ein besseres Leben als die meisten von uns. Sally, kommen Sie, ich möchte Sie mit einer Freundin von mir bekannt machen.« Mit diesen Worten zog sie Mrs Compton weg.
Plötzlich wusste Jo, warum ihr der Mann so bekannt vorgekommen war. Ihr Puls begann zu rasen, und sie errötete heftig. Die Vorstellung war überflüssig gewesen. Sie hatte das Gesicht dieses Mannes oft genug gesehen. Ständig war zu Hause sein Name gefallen. Sie stand tatsächlich vor Guy Compton, dem führenden britischen Pferdetrainer, Gewinner dreier Epsom Derbys und einiger Rennen in Ascot. Beim letztjährigen »Prix de l’Arc de Triomphe« in Longchamps bei Paris war sein Pferd Zweiter geworden. Außerdem gehörte ihm das berühmte Gestüt Stockenham Park – die »dämlichen alten Ställe« am Ende der Straße, über die Emma Witze gerissen hatte. Sprachlos zermarterte Jo sich das Hirn nach einer intelligenten Bemerkung.
»Kingsford? Sie sind nicht etwa mit dem australischen Trainer Charles Kingsford verwandt?«, fragte Guy.
Trotz seiner leutseligen und freundlichen Art hatte er einen durchdringenden Blick.
»Ich bin seine Tochter«, stammelte Jo.
»Was? Sie sind Charlies kleines Mädchen? Das darf doch nicht wahr sein. Wie geht es dem alten Schwerenöter … ich meine, Ihrem Vater? Der versteht etwas von seinem Geschäft. Sie müssen uns unbedingt besuchen und mir ein paar seiner Geheimnisse verraten«, witzelte er. »Wir wohnen nicht weit von hier.«
Jos Miene hellte sich auf, ihre Verlegenheit ließ nach, und sie erzählte von ihrem Vater und der Kingsford Lodge. Wie immer hatte das Zusammensein mit Menschen aus der Welt des Pferderennsports eine anregende Wirkung auf sie. Während sie und Guy Compton Anekdoten austauschten, bemerkten sie gar nicht, wie sich der Raum füllte und es immer lauter wurde. Frances kam weiter ihrer Gastgeberpflicht nach, alle Gäste miteinander bekannt zu machen.
»Es ist sehr nett, dass Sie beide sich so gut verstehen, aber ich muss Joanna leider entführen«, unterbrach Frances schließlich und lächelte Guy zu.
Dann nahm sie Jo fest am Ellenbogen und schob sie zu einer Gruppe junger Steuerberater aus London hinüber. Höflich beteiligte sich Jo an ihrem nichtssagenden Geplauder. Die Begleiterinnen der jungen Männer waren ganz besonders blasiert. Jo langweilte sich entsetzlich, insbesondere, als man unweigerlich auf ihre Modelkarriere und ihre Fotos in den Modezeitschriften zu sprechen kam. Sehnsüchtig sah sie sich nach Guy Compton um. Gerade wollte sie ihn fragen, wann ihm ihr Besuch in Stockenham Park genehm wäre, als Frances sie weggezogen hatte.
Inzwischen drängten sich die Gäste im Raum, und der Geräuschpegel war so hoch, dass man fast schreien musste, um sich verständlich zu machen. In der Hoffnung auf eine weitere Gelegenheit zu einem Gespräch mit Guy blickte sich Jo nach Emma um, die gerade in eine Unterhaltung mit einem dunkelhaarigen Mann vertieft war. Nach der Beschreibung der albernen Dame zu urteilen, musste es sich um den Betreiber des Lokalsenders handeln.
Jo entschuldigte sich bei den Steuerberatern und schlängelte sich zu dem Tisch vor der Terrassentür durch, um sich etwas zu trinken zu holen. Sie schnitt ihrem Spiegelbild in der silbernen Bowleschale eine Grimasse, schöpfte sich eine Kelle voll Punsch und wollte sie gerade in ihr Glas gießen, als sie einen heftigen Stoß erhielt. Ein junger Mann, der fünf leere Gläser über dem Kopf balancierte und dabei seinen Freunden durch den Raum etwas zurief, hatte sie angerempelt.
»Können Sie nicht aufpassen?«, rief Jo ärgerlich, denn sie hatte sich die Hüfte am Tisch gestoßen. Doch ihre Stimme ging in dem Lärm unter. Die Schöpfkelle fiel ihr aus der Hand, und die hellrote Flüssigkeit ergoss sich über einige Dutzend umgefallener Gläser.
»Mein Gott, ist das voll hier! Moment, ich helfe Ihnen«, sagte der junge Mann und griff nach der Schöpfkelle.
Wütend nahm sich Jo eine Papierserviette und hielt sich die schmerzende Hüfte.
»Hiscott-Punsch, wundervoll! Genau das Richtige an einem kalten Wintertag. Es ist nämlich ziemlich kalt draußen«, fuhr der junge Mann fort.
Er drehte sich zu Jo um und reichte ihr ein volles Glas, in dem eine Apfelscheibe schwamm. Plötzlich hielt
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