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Wohin die Liebe führt

Titel: Wohin die Liebe führt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die große eiserne Gestalt. Ein Mann, der, schon halb zu Boden gesunken, sich auf den Ellbogen stützte, eine Hand auf dem Herzen, mit schmerzverzerrtem Gesicht. Sie erinnerte sich, wie aufgewühlt sie daran gearbeitet hatte. Aber jetzt kam er ihr irgendwie häßlich vor.
    »Bitte, Sam, überrede ihn zu etwas anderem!«
    »Ich denke nicht daran! Nachdem er mir eben gesagt hat, er habe an dieser Figur zum erstenmal gesehen, daß ein Künstler in einer Plastik genau den Moment des Todes gepackt hat.«
    Sie sah ihn groß an. »Hat er das wirklich gesagt?«
    Sam nickte.
    Sie blickte nochmals die Skulptur an und versuchte darin zu sehen, was der große Kenner gesagt hatte. »Also gut«, sagte sie endlich.
    »Gut. Dann sage ich ihm, daß er es haben kann.«
    Zumindest war es ein großes Stück, tröstete sie sich. Und in einer Kollektivausstellung war das besser als ein kleines. Daran konnten die Leute nicht vorbeisehen.
    Sie stand noch nachdenklich da, als ihre Mutter mich zu ihr führte.
    Mrs. Hayden berührte ihren Arm, und Nora wandte sich zu uns um.
    Sie hob das Gesicht, und ich wußte, daß sie das Mädchen war, das ich diesen Mittag in der Fabrik am Fenster gesehen hatte.
    Ich sah, daß sie vor Überraschung große Augen machte, und merkte daraus, daß auch sie mich wiedererkannt hatte.
    »Nora - das ist Major Luke Carey. Major Carey, das ist meine Tochter Nora.«
    Kriege sind der Wetzstein, den der Mensch braucht, um seinen Appetit zu schärfen.
    Ich sah sie an, und ich wußte, daß ich geliefert war.
    Manche Mädchen sind Huren und manche sind Damen, und jedem Mann kommt im Leben eine über den Weg, die beides ist. Das war mir in dem Augenblick klar, als ich ihre Hand berührte.
    Die dunkelblauen Augen waren fast violett unter den langen, schweren Wimpern, das üppige schwarze Haar hoch aus der Stirn gekämmt. Die blasse, durchsichtige Haut, straff über die hohen Backenknochen gespannt, und die schlanke, kleinbusige, fast knabenhafte Gestalt machten den Eindruck vollends verwirrend. Aber für mich war sie genau das Richtige.
    Dies war das Schicksal. Leben und Tod. Alles und ganz.
    Mrs. Hayden war fortgegangen. Ich hielt noch immer Noras Hand. Ihre Stimme war leise und hatte die sorgsam gezüchtete Beherrschtheit, die den Mädchen in den besten Schulen anerzogen wird. »Wo sehen Sie hin, Major Carey?«
    Ich ließ ihre Hand schnell los. Es war, als verlöre ich den Kontakt mit einer seltsamen Art von Wirklichkeit - so wie man seinen Kopf an eine Wand stößt, bloß um zu spüren, wie gut es ist, wenn man damit aufhört. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich, »ich wollte Sie nicht anstarren.«
    »Wie haben Sie herausbekommen, wo ich zu finden bin?«
    »Gar nicht. Es war ein glücklicher Zufall.«
    »Haben Sie immer so viel Glück?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nicht immer.«
    Ich sah ihre Augen über die Ordensbänder an meiner Bluse gleiten. Ich wußte, was sie sah. Außer dem Purple Heart und dem Eichenlaub war genug Buntes da, um einen kleinen Christbaum damit zu schmücken.
    »Aber Sie haben’s wenigstens überlebt.«
    Ich nickte. »Ich glaube, ich darf mich nicht beklagen. Bis jetzt ist noch alles glattgegangen.«
    »Und Sie meinen nicht, daß es weiter glattgehen wird?«
    Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Ich lachte. Dieses Mädchen ging den Sachen auf den Grund, ohne auch nur eine Minute zu verlieren.
    »Zweimal hab’ ich Glück gehabt«, sagte ich. »Das drittemal -nein, das gibt es nicht.«
    »Haben Sie Angst vor dem Tod?« - »Ständig.«
    Sie sah wieder auf die bunten Bänder. »Ich glaube, man würde Sie nicht nochmals einsetzen, wenn man das wüßte.«
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte ich. »Aber ich verrate es nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich glaube, weil ich mehr Angst davor habe, mich zu drük-ken, als zu sterben.«
    »Das kann nicht der einzige Grund sein.«
    Allmählich wurde es mir unbehaglich. Sie hörte nicht auf zu bohren. »Vielleicht nicht«, gab ich zu. »Vielleicht nur deshalb, weil der Tod wie eine Frau ist, der man zu lange nachgejagt hat. Man will endlich wissen, ob er so gut oder so schlimm ist, wie man sich’s vorgestellt hat.«
    »Und das ist alles, woran Sie denken? Der Tod?«
    »Ich habe fast zwei Jahre kaum Zeit gehabt, an etwas anderes
    zu denken.« Ich sah auf die Skulptur, die mir sofort aufgefallen war, als ich hereinkam: der >Sterbende Mann<. Ich merkte, wie ihre Augen mir folgten. »Ich bin wie der Mann da drüben. Jede Sekunde, die ich lebe.«
    Ich sah,

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