Wohin die Liebe führt
Kind.«
Ich atmete den Duft von Noras Parfüm ein, als sie sich im Wagen zurücklehnte. Ich fand ihn erregend. Keineswegs die Art Parfüm, die eine Dame benützt, wenn sie zu einer geschäftlichen Besprechung geht.
»Wohin?« fragte ich.
»Untere Lombard Street. Hoffentlich ist das kein Umweg für Sie?«
»Durchaus nicht.«
Sie rückte näher und legte mir die Hand auf den Arm. »Hat Mutter über mich gesprochen?«
»Nein.« Es war nicht direkt gelogen. Oder auch nicht direkt die Wahrheit. »Warum?«
»Aus keinem besonderen Grund«, sagte sie gleichgültig.
Schweigend fuhren wir ein paar Blocks entlang.
»Sie müssen nicht um acht Uhr dreißig im Presidio sein?«
»Nein. Und Sie? Können Sie Ihre Verabredung schießenlassen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht mehr, dazu ist es zu spät. Es wäre.« Sie zögerte. »Es wäre nicht fair. Verstehen Sie das?«
»Völlig klar und eindeutig.«
Sie sah mich an. »Nein, so etwas ist es nicht«, sagte sie schnell.
»Ich habe ja nichts gesagt.«
Eine Verkehrsampel. Ich hielt an. Das Rot der Ampel lag wie eine Flamme auf ihrem Gesicht. »Was werden Sie jetzt tun?« fragte sie.
»Ich weiß nicht. Vielleicht nach Chinatown hinunterfahren, mir einen hinter die Binde gießen.«
»Das ist schnöde Flucht.«
Das Licht wechselte. Ich startete. »Die schnödeste«, gab ich zu. »Aber immer noch die beste Möglichkeit, die ich kenne, um mir etwas vom Hals zu schaffen.«
Ich spürte, wie ihre Hand sich fester um meinen Arm schloß. »Ist es so schlimm?«
»Manchmal.«
Durch meinen Ärmel fühlte ich ihre Fingernägel. »Ich wünschte, ich wär’ ein Mann.«
»Ich bin froh, daß Sie keiner sind.«
Sie wandte sich zu mir. »Wollen wir uns nachher treffen?«
Ich fühlte ihre festen, kleinen Brüste an meinem Arm. Nun wußte ich, daß ich recht gehabt hatte. Sie war alles das, was ich dachte, und ich brauchte bloß zuzugreifen. Aber irgend etwas hielt mich zurück.
»Ich glaube nicht«, sagte ich.
»Warum nicht?«
»Aus keinem besonderen Grund.« Ich war ärgerlich auf mich selbst.
»Es spielt keine Rolle.«
»Für mich doch. Sagen Sie mir’s.«
Ich merkte, wie meine zornige Gereiztheit sich meiner Stimme bemächtigte. »Ich habe mindestens ein Dutzend anderer
Möglichkeiten in dieser Stadt, wo ich der Zweite sein könnte., wenn das alles wäre, was ich suchte.«
Sie ließ meinen Arm los und rückte weg. Ich sah, daß ihr plötzlich die Tränen in die Augen rannen.
»Entschuldigen Sie«, sagte ich. »Ich bin so lange weggewesen
- ich habe vergessen, wie man sich benimmt.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich habe es verdient.« Sie sah aus dem Fenster. »Hier können Sie wenden. Es ist in der Mitte des nächsten Blocks.«
Ich zog den Wagen an die Bordschwelle.
»Sie haben noch drei Tage Urlaub?«
»Ja.«
»Werden Sie mich anrufen?«
»Ich glaube nicht. Ich will hinunter nach La Jolla und noch ein bißchen fischen.«
»Ich könnte auch hinunterkommen.«
»Ich glaube, das wäre nicht ratsam.«
»Oh. haben Sie ein Mädchen da unten?«
Ich lachte. »Nein, kein Mädchen.«
»Dann. warum?«
»Weil ich wieder in den Krieg gehe«, sagte ich schroff. »Weil ich keine Bindungen will. Ich will an nichts anderes zu denken haben, als daß ich den nächsten Tag überlebe. Ich kenne zu viele Jungens, die ihr >Morgen< verloren, weil sie hinter sich blickten.«
»Sie fürchten sich.«
»Sie haben verdammt recht. Ich sagte es Ihnen ja schon.«
Jetzt kamen ihr wirklich die Tränen. Sie rollten ihr langsam die Wangen hinunter.
Ich legte ihr die Hand auf die Schulter.
»Hören Sie, das ist töricht«, sagte ich zärtlich. »Gerade jetzt ist doch alles verkrampft. Vielleicht eines Tages, wenn der Krieg vorbei ist. Wenn ich durchkomme.«
Sie unterbrach mich. »Aber Sie haben selbst gesagt, daß es kein drittes Mal gibt!«
»So berechnen wir’s im allgemeinen«, gab ich zu.
»Dann glauben Sie ja selbst nicht, daß Sie mich anrufen werden. Nein, niemals!« In ihrer Stimme lag eine sonderbare Trauer.
»Ich muß mich ja dauernd bei Ihnen entschuldigen. Es tut mir leid, wirklich.«
Sie sah mich einen Augenblick fest an, dann stieg sie aus dem Wagen. »Ich mag keine Abschiede.«
Ich hatte keine Möglichkeit, ihr zu antworten, denn sie lief schnell die Stufen hinauf, ohne zurückzuschauen. Ich steckte mir eine Zigarette an und sah zu, wie sie an der Türglocke läutete. Gleich darauf erschien ein Mann und ließ sie ein.
Als ich morgens gegen
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