Wohin die Liebe führt
Sie dies bitte.« Er hielt mir ein zusammengefaltetes Blatt des »Chronicle« hin. Ich sah auf die rotan-gestrichene Stelle. Daneben war ein Bild von Nora.
NORA HAYDEN BEKOMMT EINEN AUFTRAG FÜR DIE UN
Ich sah auf. »Das ist sehr nett«, sagte ich, »aber ich weiß nicht recht, was das mit uns zu tun hat?«
»Lesen Sie nur weiter.«
Ich tat es. Die ersten beiden Absätze waren nichts. Sie sprachen von dem Preis. Aber dann die drei nächsten.
Anläßlich der Eröffnung der Carey-Siedlung - eines großangelegten Bauvorhabens unter Leitung ihres Gatten, des ehemaligen Kriegshelden Colonel Carey - sagte Nora Hayden mit ihrer gewohnten Offenheit ihre Meinung über die modernen amerikanischen Einfamilienhäuser, ihre Besitzer und diejenigen, die sie bauen:
»Der amerikanische Bauunternehmer behandelt den amerikanischen Hausbesitzer und seine Hausfrau geradezu schändlich! Unkünstlerisch und phantasielos, wie er ist, verwandelt er das amerikanische Heim in einen vernichtend eintönigen und geschmacklosen Steinwürfel, und zwar aus rein egoistischen, wirtschaftlichen Gründen, weil dies ihm einen größeren Profit bringt. Jedes Haus sieht genauso aus wie das andere, es fehlt ihm jeder individuelle Charakter, und jede Frau, die sich beschwatzen läßt, in einer dieser Kekskisten zu wohnen, hat es sich nur selbst zuzuschreiben.«
Auf die Frage, ob sich dieses Urteil auch auf die Carey-Siedlung beziehe, antwortete sie: »Schließen Sie daraus, was Sie wollen. Ich selbst jedenfalls würde nicht einmal als Leiche in einem so geschmack- und stillosen Kasten liegen wollen, geschweige denn darin leben!«
Miss Hayden beabsichtigt, nachmittags nach New York zu fliegen, um mit dem UN-Kunstausschuß ihr geplantes Werk zu besprechen.
Ich fühlte, wie es sich in meinem Magen zusammenzog, während ich den Artikel las. Ich warf das Papier auf den Tisch. »Das muß ein Irrtum sein. Ich werde Nora veranlassen, ihn sofort richtigzustellen.«
»Das hilft nichts«, sagte George Hayden. »Der Schaden ist bereits angerichtet.«
»Was für ein Schaden?« fragte ich gereizt. »Der normale Hauskäufer liest solchen Quatsch überhaupt nicht.«
»Da irrst du dich, Luke«, sagte Stan Barrows ruhig. »Unser Bestellbuch wies gestern abend siebenundvierzig Aufträge und neunzehn Interessenten auf. Heute um zehn Uhr waren nur noch elf Aufträge und drei Interessenten übrig. Ich habe jeden der Abgesprungenen persönlich angerufen. Natürlich wollte keiner den Grund nennen, aber alle gaben sie zu, daß sie den Artikel gelesen hatten.«
»Ich werde diese verdammte Zeitung dafür haftbar machen!«
»Aus welchem Grund?« fragte George Hayden verächtlich. »Sie hat nichts weiter getan, als die Worte deiner Frau zitiert.«
Ich gab ihm keine Antwort. Er hatte recht. Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen und griff nach einer Zigarette. »Wenn wir den Namen der Siedlung ändern. Vielleicht ging es, wenn nur mein Name wegfällt.«
»Das bezweifle ich, Luke. Das ganze Projekt ist vom Tode gezeichnet.« Wortlos steckte ich meine Zigarette an. Mit dem Rauch zerflog mein Traum in der Luft.
»Sie müssen unsere Lage verstehen, Luke«, sagte der Präsident der Bank. »Wir haben fast eine Million Dollar in dieses Projekt gesteckt, und die müssen wir schützen. Wir müssen die
Gelder kündigen.«
»Geben Sie mir die Chance, sie anderswo zu plazieren?«
»Natürlich - aber ich bezweifle, daß jemand sie übernehmen wird. Wir haben mindestens ein Dutzend anderer Banken angerufen, um das Risiko zu verteilen. Wir waren die einzige Bank, die mit hunderttausend drinbleiben wollte.«
Ich wandte mich an meine Schwiegermutter, die bis jetzt geschwiegen hatte. »Was hältst du davon? Du weißt, was das bedeutet. Wir verkrachen, und deine dreihunderttausend sind hin.« Sie sah mich fest an. »Manchmal ist es besser, einen Verlust in Kauf zu nehmen und rechtzeitig auszusteigen. Wir könnten das Zehnfache verlieren bei dem Versuch, eine hoffnungslose Situation zu retten.«
Ich sah mich im Kreise um. »Ich kann es einfach nicht glauben, daß das ganze Projekt auffliegen soll wegen ein paar hingeworfener Bemerkungen.«
Wieder nahm meine Schwiegermutter das Wort. »Vielleicht wären sie nicht so entscheidend gewesen, wenn nicht gerade deine eigene Frau sie gesagt hätte.«
Der Einwurf war nicht zu widerlegen. »Ich kann mich nicht daran erinnern, daß du auch nur einmal imstande gewesen wärst, sie an etwas zu hindern, was sie sich in den Kopf gesetzt
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