Wohin die Liebe führt
stecken.
Da war ein Automat, den sie besonders liebte. Er zeigte eine Farm und einen Farmer, der eine Kuh molk, während seine Frau die Hühner fütterte und die Windmühle sich drehte. An ihrem
zweiten Geburtstag sahen wir uns das sechsmal nacheinander an.
Nachts - nachts gab es immer Bourbon, der den häßlichen Geschmack der Enttäuschung wegspülte. An den Wochenenden, an denen Nora meist zu Hause war, fuhr ich nach La Jolla und beschäftigte mich mit meinem Boot. Es war das einzige, was ich bei meinem Bankrott nicht verloren hatte. Diese Wochenenden waren auch die einzige Zeit, in der ich mich einigermaßen brauchbar fühlte. Ich hatte immer etwas zu tun - zu streichen, zu kalfatern, zu reparieren. Manchmal gingen die beiden Tage vorbei, ohne daß ich einen Tropfen trank. Aber wenn ich am Montagabend zu Hause saß, hatte ich die Flasche wieder neben mir.
Der Mann, der den Bourbon-Whisky erfunden hat, sollte eigentlich einen Orden bekommen. Scotch schmeckt wie Medizin, Gin riecht wie Parfüm und Korn versäuert den Magen. Aber Bourbon tut nichts von alledem. Er ist mild und glatt und beruhigend. Von Bourbon-Whisky wird man nicht betrunken. Er füllt nur die Löcher und Risse aus, bis man sich wieder groß und stark fühlt. Und man schläft leichter ein.
Aber auch der Bourbon konnte meine Augen nicht verschließen. Ich sah zuviel, verdammt. immer noch. Wie in der Nacht, als ich nicht schlafen konnte und um drei hinunterging, um mir noch eine Flasche zu holen.
Als ich am Fuß der Treppe war, kam Nora herein und schloß die Haustür hinter sich. Wir standen da und sahen uns an, maßen einander wie zwei Fremde, die versuchten, sich an irgendeinen undeutlichen Eindruck zu erinnern.
Ich wußte, wie ich aussah, mit ungekämmtem Haar, zerknittertem Pyjama und schief zugebundenem Bademantel. Nicht sehr ansprechend. Besonders mit den nackten Füßen.
Aber Nora. Es war fast, als sehe ich sie zum erstenmal. Sie hatte den Moschusgeruch der Erotik an sich. Ihr Gesicht war bleich, und unter ihren dunkelblauen Augen lagen die matten, durchsichtigen lila Ringe, die sie immer nachher hatte, bis der Schlaf sie wieder auslöschte. Ich brauchte ihr nicht zu sagen, daß ich Bescheid wußte. Aber dieses Wissen in ihren Augen war mehr, als ich ertragen konnte. Ich wandte mich schweigend ab.
In ihrer Stimme war lächelnder Spott. »Wenn du den Whisky suchst - ich habe Charles gesagt, er soll eine Kiste Bourbon in dein Arbeitszimmer stellen.«
Ich gab keine Antwort.
»Denn du suchst doch Bourbon, nicht wahr?«
Ich blickte auf. »Ja.«
»Das dachte ich mir.« Sie ging an mir vorbei zur Treppe. Als sie halb oben war, drehte sie sich um und sah zu mir herunter. »Vergiß nicht, das Licht abzuschalten, wenn du heraufkommst.«
Ich ging in das Arbeitszimmer, nahm eine Flasche Bourbon und dachte an die tausend Dinge, die ich ihr hätte sagen müssen und nicht gesagt hatte. Ich spürte die gelbe Schlange in meinem Innern und versuchte, sie in Bourbon zu ertränken. Meine Tochter braucht mich, sagte ich mir. Sie braucht jemanden, der sie liebt und mit ihr zu Sutros Automaten geht, der sie sich freuen läßt an Sonnenschein und Wasser und all den andern Dingen, an die ihre Mutter niemals denkt. Ich nahm die Flasche mit und streckte mich aufs Bett.
Als ich den dritten Schluck genommen hatte, hörte ich das Türschloß leise schnappen. Ich sah zum Badezimmer hinüber. Die Tür war offen. Ich wollte schon aufstehen, ließ es aber. Statt dessen griff ich wieder zur Flasche.
Ich trank schnell, löschte die Lampe und streckte mich wieder aus, ich konnte aber nicht schlafen. Ich ertappte mich dabei, daß ich im Dunkeln lag und auf ein Geräusch aus ihrem Zimmer lauschte. Ich brauchte nicht lange zu warten.
Das Licht im Bad ging an und fiel in mein Zimmer, als sie kam. Sie stand im Türrahmen und wußte, daß ich sah, daß sie nichts unter ihrem hauchdünnen Neglige trug. Sie sprach leise. »Bist du wach, Luke?«
Ich richtete mich auf, ohne zu antworten.
»Ich hatte die Tür aufgeschlossen«, sagte sie.
Ich schwieg noch immer.
Sie trat ans Fußende meines Bettes und betrachtete mich. Plötzlich bewegte sie die Achseln, und das Neglige fiel herab.
»Ich erinnere mich. sagtest du nicht einmal, du möchtest nicht der Zweite sein?« In ihrer Stimme war ein leichter Klang von Verachtung. »Bist du noch immer dieser Meinung?«
Ich nahm eine Zigarette. Meine Hand zitterte.
Die Verachtung in ihrer Stimme wurde schärfer. »Ich hatte einmal
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