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Wohin die Liebe führt

Titel: Wohin die Liebe führt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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stand auf und ging ihnen entgegen.
    Harris Gordon sah sich um. »Sieht ziemlich voll aus.«
    »Das kann man wohl sagen. Offenbar sind wir nicht die einzigen, die Sorgen haben«, sagte ich.
    Er sah mich sonderbar an. »Menschen mit Sorgen stehen selten allein da. Warten Sie hier. Ich suche den Schreiber und frage ihn, wann der Richter uns ungefähr drannehmen kann.«
    Er verschwand im Korridor. Ich wandte mich an Nora. »Nun, wie geht dir’s heute?« fragte ich höflich.
    Ihre Augen durchforschten mein Gesicht, sie wußte nicht, ob es sarkastisch gemeint war. »Oh, danke. Ich bin nach Hause gegangen und den ganzen Tag im Bett geblieben nach dem, was ich gestern bei dem Verhör mitgemacht habe. Ich war restlos erledigt.«
    »Das kann ich verstehen. Es war nicht leicht für dich.«
    »Habe ich’s richtig gemacht? Ich wollte nicht mehr sagen, als was ich absolut sagen mußte. Ich konnte mich überhaupt nur mit größter Mühe zu der Aussage zwingen - aber ich mußte doch, nicht wahr?«
    »Natürlich. Es blieb dir keine Wahl.«
    Gordon kam zurück. »Wir werden nicht lange warten müssen«, sagte er. »Wir sind der dritte Fall auf seiner Liste. Die beiden ersten werden knapp fünfzehn Minuten dauern, meinte der Gerichtsschreiber.«
    Ich zündete mir eine Zigarette an und lehnte mich gegen die Wand. Die Tür zum Gerichtssaal öffnete sich. Ein Name wurde aufgerufen. Ich drehte mich um und sah die beiden Mexikanerinnen aufstehen. Die Tür schloß sich hinter ihnen. Es war genau neun Uhr.
    Sie waren höchstens zehn Minuten drin. Die schwangere Frau weinte, als sie herauskam. Der Schreiber rief einen andern Namen. Es war der Mann, der gleich nach mir gekommen war.
    Auch er brauchte keine zehn Minuten. Als er herauskam, machte er ein sehr befriedigtes Gesicht. Auf dem Weg zur Treppe blieb er vor mir stehen. »Diesmal behalten sie sie drin! Ich hab’ ihnen gesagt, meinetwegen können sie den Schlüssel wegschmeißen!« Ich antwortete nicht. Er stampfte die Treppe hinauf. Ich hörte hinter uns die Stimme des Schreibers. »Carey!«
    Wir gingen durch das Wartezimmer in den Sitzungssaal. Der Schreiber wies uns unsere Plätze an. Wir saßen an dem Tisch vor dem Pult des Richters. Der Schreiber musterte uns gelangweilt. »Sind Sie zum erstenmal hier?«
    Wir nickten.
    »Der Richter ist einen Augenblick hinausgegangen. Er wird gleich wiederkommen.« Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als die Tür hinter ihm aufging. »Alles erhebt sich und grüßt das Gericht!« rief der Schreiber. »Ich gebe bekannt, daß das Jugendgericht des Staates Kalifornien, Kreis San Francisco, unter dem ehrenwerten Richter Samuel A. Murphy jetzt hier tagt.«
    Der Richter war ein hochgewachsener Mann Anfang Sechzig. Sein Haar war weiß und dünn, die Augen hinter den horngefaßten Gläsern blau und durchdringend. Er trug einen zerdrückten braunen Anzug, ein weißes Hemd und einen rotbraunen Schlips. Der Richter setzte sich, nahm ein Blatt Papier vom Pult und nickte dem Schreiber zu. Dieser stand auf und ging zu einer Tür auf der rechten Seite. Er öffnete sie: »Danielle Carey.«
    Dani kam herein und blickte sich zögernd um. Dann sah sie uns und kam auf uns zugelaufen. Nora erhob sich halb von ihrem Stuhl, und schon hielten sie sich in den Armen.
    Dani weinte. »Mutter, Mutter - wie geht’s dir, Mutter?«
    Ich konnte nicht verstehen, was Nora murmelte. Ich sah einen Augenblick weg. Sogar ich spürte es. und dabei glaubte ich nicht einmal die Hälfte von dem Theater, das Nora immer machte. Eine andere Gestalt erschien in der Tür - Miss Spicer, die Bewährungshelferin. Sie blieb stehen und beobachtete Nora und Dani.
    Ich schaute zum Richter hin. Auch er beobachtete die beiden. Ich hatte das Gefühl, daß es ein wichtiger Augenblick war und daß der Richter ihn sehr sorgfältig vorbereitet hatte.
    Auf der gleichen Seite des Saals ging eine andere Tür auf. Ein uniformierter Beamter trat ein, braunhaarig und mittelgroß. Sein blau und goldenes Achselstück trug die Abzeichen des Sheriffamtes von San Francisco. Er schloß die Tür und blieb mit dem Rücken daran gelehnt stehen.
    Dani war von Nora zu ihrer Großmutter gegangen. Sie küßte
    sie. Dann kam sie zu mir, und nun leuchteten ihre Augen. Sie küßte mich auf die Wange. »Mutter ist gekommen, Daddy! Mutter ist gekommen!«
    Ich sah sie lächelnd an. »Ich sagte dir’s ja, daß sie kommt.«
    Jetzt trat Miss Spicer zum Tisch. »Komm, Dani, setz dich neben mich.«
    Dani tat es. Sie sah Harris Gordon an.

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