Wohin die Liebe führt
sie diesen Mädchen solche Kleider nur, weil die meisten keine eigenen haben.«
Dani schwieg. Ich nahm eine Zigarette heraus. Sie sah mich an. Ich warf sie ihr zu. Sie fing sie geschickt auf.
»Dani!« rief Nora schockiert.
»Oh, sei doch still, Nora!« Mrs. Haydens Stimme klang gereizt. »Du kannst jetzt mit deinem Theater aufhören - es ist kein Publikum da! Du weißt doch, daß sie raucht. Ich habe dich oft genug ersucht, es ihr zu verbieten. Du hast stets geantwortet, daß du nichts dabei findest.«
Sie sah Dani an. »Komm her, Kind.«
Dani tat es. »Ja, Großmutter?«
»Wirst du gut behandelt, Kind?«
»Ja, Großmutter.«
»Bekommst du genug zu essen?«
Dani lächelte. »Mehr als genug. Aber ich bin nicht hungrig.«
»Du mußt ordentlich essen, Dani, damit du bei Kräften bleibst. Es geht nicht, daß du zu alledem auch noch krank wirst.«
»Nein, Großmutter, ich werde bestimmt nicht krank.«
»Soll ich dir irgend etwas schicken?«
Dani schüttelte den Kopf. »Nein, danke, Großmutter.«
Die alte Dame küßte sie auf die Stirn. »Und du tust, was der Richter sagt! Sei ein gutes Kind und hilf selbst, wo du kannst -dann kommst du sicher in kürzester Zeit wieder nach Hause.«
Dani sah zu ihr auf und nickte. Ein seltsames Wissen war in ihren Augen - als wisse sie viel besser als die alte Dame, was mit ihr geschehen werde. Aber sie sagte nichts.
Statt dessen kam sie zu mir. »Hast du das Boot in La Jolla noch, Daddy?«
»Nein, Dani.«
»Wie schade. Ich würde schrecklich gern wieder einmal mit dir hinausfahren.« »Vielleicht geht es eines Tages, Dani. Wenn du hier herauskommst.«
Sie nickte, aber ich merkte, daß sie auch dies nicht glaubte. »Eine der Aufseherinnen hat mir erzählt, daß sie ein Bild von deiner Frau gesehen hat, in der Zeitung. Sie sagt, sie ist sehr hübsch.«
Sie sah mir in die Augen. »Und in der Zeitung steht, daß sie nicht mit hergekommen ist, weil sie ein Baby erwartet, Daddy.«
»Das stimmt, Dani.«
»Wann denn?«
»Sehr bald«, antwortete ich. »Der Arzt meint, es sei besser, wenn sie jetzt nicht reist.«
Plötzlich flog ein Lächeln über ihr Gesicht. »Dann ist’s also wahr, was in der Zeitung steht? Ach, da freue ich mich aber!«
»Es ist wahr.« Ich gab ihr Lächeln zurück. »Dachtest du, sie hätte einen anderen Grund gehabt, nicht mitzukommen?«
Dani warf einen schnellen Seitenblick auf Nora. Nora beschäftigte sich, sichtlich gelangweilt von unserer Unterhaltung, mit ihrem Lippenstift. »Ich weiß nicht recht«, sagte Dani leise. »Zuerst dachte ich, sie ist nicht mitgekommen, weil sie mich zu sehr haßt.«
Ich lachte. »Wie kommst du auf so eine Idee?«
Wieder blickte sie rasch zu Nora hinüber. »Ich weiß nicht - es war bloß so ein Gedanke.«
Die Tür ging auf. Miss Spicer kam zurück. Durch die offene Tür sah ich draußen eine Aufseherin. »Du mußt jetzt gehen, Dani. Komm mit.«
»Okay«, antwortete Dani. Sie drückte ihre Zigarette in einem Aschenbecher aus und küßte mich. »Adieu, Daddy.«
Sie küßte ihre Großmutter und ging dann zu Nora. Nora umarmte sie und sah ihr in die Augen. »Du weißt, daß ich dich liebe, Dani, nicht wahr?« Dani nickte.
»Mehr als jeder andere?«
Dani nickte wieder.
»Wie sehr, Liebling?«
Ich merkte, daß es ein Spiel war, das sie schon viele Male gespielt hatten. Ob es für Nora wirklich etwas bedeutete oder nicht, das vermochte ich nicht zu sagen.
»Am allermeisten, Mutter.«
Nora sah mich an, um sich zu vergewissern, daß ich die Antwort gehört hatte. Dani drehte sich um und schaute mich mit erschrockenen Augen an. Es muß schon etwas auf sich haben mit dieser sogenannten Telepathie, ich war überzeugt, sie wußte, warum ich lachte. Sie küßte ihre Mutter. »Adieu, Mutter.«
Auch Nora sah mich an. Sie war rot geworden - und wütend. Sie wollte etwas sagen, biß sich aber auf die Lippen und schwieg.
»Da Sie gerade alle hier sind«, sagte Miss Spicer, nachdem sich die Tür hinter Dani geschlossen hatte, »könnten wir vielleicht gleich unsere Verabredungen festlegen. Das würde alles beschleunigen.« Sie ging hinter den Schreibtisch und setzte sich. »Dürfte ich morgen nachmittag zu Ihnen hinauskommen, Miss Hayden?«
»Donnerstag wäre besser«, sagte Nora. »Da sind die Dienstboten nicht da, und wir wären allein. Wir hätten Zeit, alles zu besprechen.«
»Es wäre zweckdienlicher, wenn die Dienstboten da sind«, erwiderte Miss Spicer. »Ich möchte gern auch mit ihnen über Dani sprechen,
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