Wohin die Liebe führt
ich zuerst vermutete, man habe ihn verkehrt herum aufgehängt. Und Noras Bronze >Die Frau im Netz<, mit der sie den Eliofheim-Preis gewonnen hatte; sie stand auf einem kleinen Podest in einer Ecke, von oben hell angestrahlt.
Sam kam aus einer Tür auf der andern Seite des Zimmers mit ausgestreckter Hand auf mich zu: »Luke!«
Ich nahm seine Hand. Ich hatte die Art gern, wie er einem die
Hand gab. Fest, aber nicht überfreundlich oder gar über
schwenglich. Das gefiel mir. »Wie geht’s dir, Sam?«
»Recht gut. Man läßt ein bißchen Haare, aber das ist alles.« Er musterte mich. »Du siehst gut aus, Luke.«
»Das gute Leben«, sagte ich. »Das und die richtige Frau.«
»Das freut mich.« Er ging um seinen Schreibtisch herum und setzte sich. »Bitte, nimm Platz, Luke.«
Ich ließ mich in einen Sessel ihm gegenüber nieder.
»Ich habe einen furchtbaren Schreck bekommen, als ich das von Dani hörte.«
Ich sagte nichts, aber ich glaubte es ihm.
»Ich mochte die Kleine gern«, sagte er. »Sie war ein süßes Ding, als sie klein war. Es tut mir leid, daß ihr so etwas passieren mußte. Immerhin, es war immer, als ob so etwas fällig wäre.«
»Warum war es so?«
Er zuckte die Achseln. »Nora.«
»Kanntest du Riccio?« fragte ich.
»Ja.« Sein Lächeln geriet etwas schief. »Ich war derjenige, der sie miteinander bekannt gemacht hat.«
»Wie kam denn das?«
Er lachte. »Du hast doch draußen meine >jungen Männer< gesehen?« »Die van Dycks und die englischen Sakkos?«
»Genau.«
»Nicht leicht zu übersehen. Ich sage dir, ich war froh, als ich nachher deine Sekretärin erblickte!«
Er lachte wieder. »Es ist Scaasis Idee. Bei uns hier sind es meistens Frauen, die Kunst kaufen. Und da funktioniert so etwas gut.«
»Was hat das mit Riccio zu tun?«
»Als ich vor fünf Jahren diesen Laden hier aufmachte, war er mein >junger Mann< Nummer eins. Er war ausgezeichnet. Die Frauen beteten ihn an.«
»Mitsamt dem Van-Dyck-Bärtchen?«
»Es gibt die künstlerische Note«, sagte er. »Eine Art soignier-ter Beatniks.« - »Ich verstehe.«
»Auch Nora fiel er auf«, sagte Sam trocken. »Er trug Hosen nach italienischem Schnitt - eng in Hüften und Gesäß, wie ein Ballettänzer. Nora hat ihn mit den Augen verschlungen.« Er öffnete ein Kästchen mit Zigaretten, das auf seinem Schreibtisch stand, und schob es mir hin. »Und du weißt ja, wie das geht. Wie im Kinderland. >Was unsre Nora will, kriegt unsre Nora auch.<«
Seine Augen sahen mich ehrlich an. »Nur hat Nora diesmal mehr bekommen, als sie gewollt hat, glaube ich.«
»Erklär mir das genauer, ich bin ein bißchen dumm«, sagte ich und nahm eine Zigarette. »Wie meinst du das?«
»Er war ebenso gemein wie sie. Mit jeder ins Bett, die ihm unter die Finger kam. Ein paarmal gab es Ärger mit Kunden, aber er wußte sich immer rechtzeitig herauszuwinden.«
»Warum hast du ihn behalten?«
»Weil er gut war. Der beste Verkäufer, den wir je hatten. Und er verstand seinen Kram.« »Wie bist du auf ihn gestoßen?«
Sam sah mich an. »Warum fragst du so genau nach Riccio?«
»Ich möchte etwas über ihn wissen«, antwortete ich. »Anscheinend weiß niemand Näheres. Ich dachte mir, wenn ich allerlei erfahre, könnte man vielleicht das Gericht überzeugen, daß es letzten Endes nicht schade um ihn war.«
»Ich verstehe.« Er nickte langsam. »Nicht ganz fair. Aber es könnte von Nutzen sein.«
»Das denke ich auch. Was weißt du über ihn? Hatte er besondere Freunde, an die du dich erinnern kannst?«
Er dachte nach, dann nahm er das Telefon. »Bitte die Personalakte über Tony Riccio.«
Einen Augenblick später kam Sams Sekretärin herein. Sie legte den Ordner vor Sam hin, sah mich an und ging hinaus. Ich bemerkte, wie Sams Augen ihr folgten.
»Gesund«, sagte ich. »Gesund und normal. Ich glaube, den Schock, daß du schwul geworden wärst, hätte ich nicht überlebt.«
Er lachte und schlug den Ordner auf. »Tony hat für Arlene Gateley gearbeitet, ehe er zu mir kam. Sie hat ihn mit hergebracht.«
»Arbeitet sie noch für ihn?«
»Sie ist seit zwei Jahren tot. Flugzeugunglück.«
»Oh. Und hatte er Freunde?«
»Ich kann mich an keine erinnern. Er war nur auf Weiber aus. Ich habe nie bemerkt, daß er mit einem Mann auch nur kameradschaftlich verkehrte.«
»Und was ist mit seiner Familie?«
»Die lebt hier in San Francisco. Sein Vater hat einen Fischstand am Kai. Ich glaube, seine Brüder
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