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Wohin die Liebe führt

Titel: Wohin die Liebe führt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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eingestehen oder nicht.«
    »Brauchen Sie Hilfe?« fragte Dani.
    »Freilich. Es gibt Stunden, da ich mir sehr hilflos vorkomme.«
    »Gehen Sie dann zu einem Psychologen?«
    Sally Jennings nickte. »Ich gehe seit einigen Jahren zur Analyse. Seit der Zeit, als ich merkte, daß ich mehr über mich selbst wissen muß, wenn ich meinen Beruf richtig ausüben soll.«
    »Wie oft gehen Sie hin?«
    »Mindestens einmal wöchentlich. Manchmal sogar öfter, wenn ich Zeit habe.«
    »Meine Mutter sagt, nur richtig kranke Leute gehen zum Analytiker. Sie sagt, Analyse ist ein Ersatz für die Ohrenbeichte bei den Katholiken.«
    Sally Jennings sah Dani an. »Hat deine Mutter in allen Dingen recht?«
    Dani erwiderte den Blick, antwortete aber nicht.
    Die Psychologin sah die Wand in Danis Augen aufsteigen. Sie wechselte schnell das Thema. »Der Arzt, der dich untersucht hat, sagt, daß du über Brustschmerzen klagst. Hast du diese Schmerzen schon lange?«
    Dani nickte stumm.
    »Wie lange schon?« Dani zögerte.
    »Nun, damit stecke ich nicht meine Nase in deine Seele, Da-ni«, sagte Sally Jennings lächelnd. »Das ist eine rein medizinische Frage.«
    »Bedeutet es irgend etwas Schlimmes?« fragte Dani mit erschrockener Stimme.
    Sally sah, wie Danis Hände unwillkürlich nach ihrem Busen griffen, und hatte Gewissensbisse, daß sie da eine alte Angst des
    Kindes angerührt hatte. »Nein, gar nichts Schlimmes. Aber die Ärzte möchten immer gern wissen, aus welchem Grund etwas weh tut.«
    »Als ich anfing, mich zu entwickeln, habe ich meine Brust gebunden. Dann fing es an, weh zu tun, und ich hörte damit auf. Aber es hat immer weiter weh getan.«
    Sally lachte. »Wie kommst du um Himmels willen auf so etwas Kind? Das ist doch schrecklich altmodisch. Das tat schon seit Jahren kein Mädchen mehr.«
    »Ich hatte einmal gehört, was meine Mutter zu einer ihrer Bekannten sagte: Die Japanerinnen täten das immer, weil sie dann jung aussehen und nicht so schnell erwachsen wirken.«
    »Ja. wolltest du denn nicht erwachsen werden, Dani?«
    »Natürlich wollte ich«, erwiderte Dani schnell.
    »Warum hast du es dann getan?« wiederholte Sally. Das Kind antwortete nicht. »Vielleicht, weil du dachtest, du tust deiner Mutter einen Gefallen?«
    Sie las die Wahrheit ihrer Vermutung in Danis plötzlich großen Augen. Jetzt mußte sie hart bleiben. »Das war doch der Grund, nicht wahr, Dani? Du hast deine Brüste eingeschnürt, bis sie weh taten, weil du dachtest, es wäre deiner Mutter lieb, wenn du nicht so schnell erwachsen wirst. Warum dachtest du das, Kind? Hat deine Mutter dir einmal gesagt, sie fühlte sich alt dadurch, daß du heranwächst?«
    Plötzlich weinte Dani und verbarg das Gesicht in den Händen.
    Vorsichtig nahm die Psychologin ihr die Zigarette aus den Fingern und drückte sie im Aschenbecher aus. »Die meisten Mütter freuen sich gar nicht so sehr darüber, daß ihre Kinder erwachsen werden, Dani. Sie freuen sich, solange sie klein sind, weil sie sich dann wichtiger und notwendiger und auch jünger fühlen.«
    »Meine Mutter liebt mich«, schluchzte Dani zwischen ihren Fingern. »Meine Mutter liebt mich.«
    »Natürlich liebt sie dich, Dani. Aber Liebe allein verhütet nicht, daß sogar eine Mutter manchmal einen Fehler macht.«
    Dani sah auf. Die hellen Tränen standen noch in ihren Augen. »Ich. ich möchte nicht mehr sprechen, Miss Jennings. Darf ich wieder in mein Zimmer gehen?«
    Sally betrachtete sie einen Augenblick, dann nickte sie. »Natürlich, Dani.« Sie drückte auf einen Klingelknopf. »Morgen sprechen wir weiter.«
    Durch die Glaswand ihres Zimmers sah sie Dani mit der Aufseherin den Korridor entlanggehen. Sie seufzte tief. Es war schwer gewesen. Aber immerhin hatte sie einen kleinen Fortschritt gemacht. Vielleicht würde sie morgen mehr erfahren.
    Durch die geschlossene Tür von Danis Zimmer drang die Musik des Fernsehgeräts. Unbewußt bewegten sich ihre Füße im Takt. Nach ein Paar Minuten überließ sie sich der Verlockung und ging hinaus in den Korridor. Hier war die Musik lauter; sie folgte ihr in den großen Aufenthaltsraum, wo die Mädchen sich vor dem Gerät versammelt hatten.
    Die Musik setzte aus, und das glatte, ausdruckslose Gesicht von Dick Clark erschien auf dem Bildschirm. Seine Stimme klang lässig aus dem Lautsprecher. »Willkommen bei der amerikanischen Plattenparade. Um unserer heutigen Session gleich den richtigen Start zu geben, nehmen wir als erstes eine Platte unseres einmaligen Chubby Checkers.

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