Wohin die Liebe führt
Sonne.« Sie sah Dani an. »Du hast doch ’n Freund?«
»Nein.«
»Aber du hattest einen?«
Dani schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Keinen festen.«
»War der denn nicht dein Freund, den du.?«
Dani schüttelte den Kopf.
»Ich dachte, er war dein Freund gewesen. Weil sie dich nämlich zu uns gesteckt haben. Die Jungfern kommen in ein anderes Haus. Du meinst, es war ’n anderer?«
»Ich möchte nicht davon sprechen.«
Sylvia lehnte sich zurück. »Ich hab’ Sehnsucht nach meinem Freund.«
»Wo ist er denn?«
Sylvia zeigte mit dem Daumen auf die Fenster. »Da drüben -in der Jungensabteilung.«
»Was macht er denn da?«
»Man hat uns zusammen geschnappt«, sagte Sylvia. »Richie hatte sich ’n Wagen geborgt, weil wir ’ne Fahrt machen wollten. Wir fuhren rauf zum Golden-Gate-Park. Da haben uns die Polypen eben geschnappt.«
»Versteh ich nicht. Warum wollten sie was von euch?«
Sylvia lachte. »Sei nicht so’n Schaf. Ich sagte doch, Richie hatte sich den Wagen gepumpt. Außerdem war’s zwei Uhr nachts. Und wir waren auf dem Rücksitz und. na, du weißt schon, was wir machten.« Sie trank den Rest der Coke aus. »Menschenskind, es war wirklich traumhaft, du weißt schon was?« Sie seufzte. »Das Dach von der Limousine offen, der Mond, die Radiomusik. Wir waren| grade. na ja. als sie uns faßten. Mensch, das war vielleicht ’ne Pleite!«
»Ich hol uns noch ’n Coke«, sagte Dani. Als sie zurückkam, bewunderte Sylvia einen jungen Sänger, der als Gast auftrat.
»Der singt ja gar nicht richtig«, sagte Sylvia. »Er bewegt bloß die Lippen zur Musik.«
»Woher weißt du das?«
»Du siehst doch kein Orchester, oder? Außerdem hallt seine Stimme so sehr. Das geht bloß in ’nem Schallplattenstudio.« Sie betrachtete einen Augenblick die Großaufnahme des Sängers. »Aber hübsch ist er - natürlich nicht so himmlisch wie Fabian. Hast du heute Post gekriegt?«
Dani schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich hab’ auch keine erwartet.«
»Die andern haben Post gekriegt. Und ich hab’ einen Brief von Richie erwartet, aber keinen bekommen. Er hat gesagt, er schreibt mir jeden Tag.« Jetzt klang ihre Stimme besorgt. »Meinst du, die alten Spitzel behalten meine Post ein?«
»Nein, das glaube ich nicht.«
»Wenn ich morgen nichts von ihm höre, sterb ich glatt!«
»Sorg dich nicht, Sylvia, du wirst schon von ihm hören«, sagte Dani tröstend. Schweigend blieben die beiden Mädchen sitzen und teilten sich ihr Coke.
Ich kam gerade vor dem großen Mittagsverkehr zum Hafen hinüber. Die Verkäufer sortierten emsig ihre Ware, legten die aufgebrochenen Krebse verlockend auf die Eisstückchen, schmückten die Bretter ihrer Karren mit bunten Glasbechern voll gekochten rosa Garnelen. Ganze Berge von frischem Brot und Brötchen waren aufgestapelt, und über allem hing das schwere Aroma des Fischmarkts.
Ich ging am Tarantino vorbei auf das Meereskundemuseum zu. Die Fischerboote waren zur Nacht vertäut, sie wiegten sich leise auf der Dünung. Am Kai befanden sich noch mehr Stände. Einer, fast in der Mitte des Blocks, war mit einer ausgebleichten Persenning zugedeckt. Darauf stand mit großen Buchstaben: RICCIO.
Ich blieb stehen. Ein Mann, der am nächsten Stand mit geschickten Händen Krebse auslegte, sagte aus dem Mundwinkel: »Die ha’m heute zu.«
»Wissen Sie, wo ich sie finden kann?«
Er ließ seine Krebse und kam zu mir. »Sind Sie ’n Reporter?«
Ich nickte.
»Die sind im Bestattungsinstitut. Morgen früh ist die Beerdigung. Sind Sie hergekommen, um die Familie auszufragen?«
»Gewissermaßen. ja.«
»Der Bursche hat nichts getaugt«, sagte er. »Schon als Junge ist er nie hergekommen, um mal am Stand auszuhelfen. Wollte
sich nicht die Hände schmutzig machen mit dem Fischzeug wie seine Brüder. Hielt sich für was Besseres. Ich hab’ dem Vater immer gesagt, es wird ’n schlimmes Ende mit ihm nehmen.«
»Welches Institut ist es denn?«
»Mascogani.«
»Und wo ist das?«
»Wissen Sie, wo Bimbo ist?« Ich nickte.
»Von Bimbo grade über die Straße, etwa ’n Block weiter unten.«
»Danke.« Ich ging den Block hinauf zu meinem Wagen. An der Jackson Street, in der Nähe des Begräbnisinstituts, fand ich einen Parkplatz. Es war ein Gebäude mit weißer Stein- und Marmorfront. Ich öffnete die Tür und ging hinein.
In der dämmerigen, sanft beleuchteten Vorhalle blieb ich stehen, bis sich meine Augen an das Licht hier gewöhnt hatten. Dann ging ich zu der verglasten Namenstafel
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