Wohin du auch fliehst - Thriller
erschrocken sind oder so was. Ob Sie jemand oder etwas erschreckt hat.«
Da war es wieder, dieses leichte Zucken. So als würde sie träumen und ihre Hand unwillkürlich bewegen.
»Hier sind Sie gut aufgehoben«, sagte ich. »Man wird dafür sorgen, dass es Ihnen wieder besser geht. Und wir, Stuart und ich, werden auf alles ein Auge haben. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
Es fiel schwer, einen solchen Monolog aufrecht zu halten. Ich warf einen Blick auf das Kärtchen. Es war ein Kunstdruck, der irgendwelche roten Blumen zeigte. »Mit herzlichen Grüßen«, stand drauf. Meine Neugier war einfach zu groß, und ich las die Innenseite.
Gute Besserung und alles Liebe von Stuart (Wohnung 3) und Cathy (Wohnung2). X
Schön!, dachte ich. Hoffentlich weiß sie noch, wer wir sind, wenn sie wieder aufwacht. Ich steckte meine Blumen einfach zu den Osterglocken, ohne eine neue Vase zu holen, und goss Wasser aus dem Waschbecken in der Ecke nach.
»Ich sollte jetzt gehen«, sagte ich und drückte erneut ihre Hand. »Ich komme Sie bald wieder besuchen, einverstanden?«
Sobald ich mein Handy an der Bushaltestelle Denmark Hill wieder angemacht hatte, klingelte es.
»Hallo?«
»Hi, ich bin’s.«
»Hallo.«
»Hatte ich nicht gesagt, ich würde anrufen?«
»Ja, das hast du. Wie war die Reise?«
»Ganz okay, danke. Wie geht es dir?«
»Gut. Ich stehe gerade vor dem Maudsley Hospital und warte auf den Bus.«
»Ach so? Warst du bei Mrs M.?«
»Ja, sie hat geschlafen.«
»Haben sie gesagt, wie es ihr geht?«
»Ich habe niemanden gesehen. Ich bin einfach reingegangen und kurz bei ihr geblieben. Aber wie dem auch sei, da kommt mein Bus.«
»Oh, kannst du im Bus nicht mit mir telefonieren?«
Ich stand hinter einem älteren Paar und einer Gruppe Jugendlicher mit Skateboards in der Schlange.
»Doch schon, aber das mag ich nicht.«
»Darf ich dich später noch mal anrufen?«
Ich lachte. »Wenn du magst.«
»Um wie viel Uhr?«
»Gib mir mindestens zwei Stunden – du weißt ja, ich habe zu tun, sobald ich nach Hause komme.«
Montag, 19. April 2004
Als Lee mich zum ersten Mal so zusammenschlug, dass er Spuren hinterließ, musste ich mir eine Woche freinehmen. Ich schützte eine Erkältung vor – und ehrlich gesagt muss meine Stimme ziemlich heiser geklungen haben, als ich montags in der Firma anrief. Es dauerte eine ganze Woche, bis ich die Spuren in meinem Gesicht einigermaßen mit Make-up abdecken konnte. Nur noch die Platzwunde an meiner Lippe war übrig geblieben, die nun wie ein schrecklicher Herpes aussah. Meine Nase war zum Glück nicht gebrochen, und wenn doch, war es nicht so schlimm.
Zum Arzt ging ich natürlich nicht.
Er blieb fünf Tage bei mir. Am Morgen danach war er recht kühl. Er sah mich an, als hätte ich mich besonders dumm angestellt und wäre draußen gestürzt. Trotzdem machte er mir Suppe, half mir, mich zu waschen, und strich mir mit erstaunlicher Zärtlichkeit übers Gesicht.
Am nächsten Tag war er außergewöhnlich sanft und sagte, ich sei die einzige Frau, die er je geliebt habe. Er sagte auch, ich gehöre ihm, nur ihm, und dass er jeden Mann, der mich auch nur ansah, umbringen würde. Er sagte es wie nebenbei, doch mir war klar, dass er dazu fähig gewesen wäre. Er meinte es vollkommen ernst.
Die restliche Zeit über spielte ich einfach mit. In den fünf Tagen versuchte ich so zu sein, wie er mich haben wollte. Ich sagte, ich gehöre ihm, nur ihm, und dass mein Versuch, die Beziehung zu beenden, ein Fehler gewesen sei. Dass ich ihn liebte.
Als er am Mittwochabend wieder zur Arbeit ging, überlegte ich, welche Möglichkeiten ich hatte. Zunächst blieb ich einfach im Bett, sah fern und tat, als sei nichts gewesen. Ich wartete und wartete für den Fall, dass er wieder nach Hause kam. Dass das bloß ein Test war.
Am liebsten hätte ich die Polizei gerufen, aber ich wusste, dass er mein Telefon abhörte. Ich wollte das Haus verlassen und so schnell ich konnte zur nächsten Wache rennen, in der Hoffnung, dass man mich dort beschützen würde. Doch das würde man natürlich nicht tun. Mit ein wenig Glück würde man ihn verhören, eine Art Untersuchung anstrengen, während der er sich frei bewegen, mich schlagen oder umbringen konnte. Das war das Risiko nicht wert.
Am Donnerstag rief ich einen Schlüsseldienst an und ließ die Schlösser an Haus- und Hintertür auswechseln.
Das war die erste Nacht, in der ich begann, alles sorgfältig zu kontrollieren.
Am Montag darauf war er
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