Wohin du auch fliehst - Thriller
lege, und Freunde hatte ich keine mehr.
Leise hörte ich mich wie von ganz weit her sagen: »Bei dir fühle ich mich sicher.«
Danach änderte sich die Atmosphäre ein wenig. Keine Ahnung, ob es daran lag, dass ich zu viel getrunken hatte – fast ein ganzes Glas Wein! –, oder daran, dass sich der Pub langsam füll te. Stuart sah mich lange an, und ich hielt seinem Blick stand.
Irgendjemand kam zu uns herüber und räumte unsere Gläser ab, und das brach das Eis. »Noch einen Drink?«, fragte er, und als ich aufstehen wollte, um neue Getränke zu holen, bedeutete er mir, sitzen zu bleiben.
Das Sofa war gemütlich, ich hätte ohne Weiteres darauf einschlafen können.
»Sitzt hier jemand?«, fragte eine Stimme. Sie gehörte einer jungen Frau, gefolgt von einer älteren – Mutter und Tochter auf Einkaufstour, ihren Tüten nach zu urteilen.
»Ja, aber Sie können sich gerne dazusetzen – es gibt noch genug Platz«, sagte ich, klopfte neben mich auf das Sofa und fragte mich, wie lange ich es wohl noch in der Öffentlichkeit aushielt.
Ich griff nach Stuarts Jacke und legte sie über meine Sofalehne. Mühsam widerstand ich dem Drang, daran zu schnuppern, und musste kichern. Oh, mein Gott, ich war bereits betrunken. Ich durfte höchstens noch einen Drink zu mir nehmen. Nur einen einzigen.
Stuart schien erst nach einer Ewigkeit zurückzukommen. Er warf den beiden Frauen, die über einen Kerl namens Frank redeten und darüber, welch furchtbarer Fehler es gewesen sei, Juliette zu verlassen, einen kurzen Blick zu und setzte sich neben mich. Das Sofa war nicht besonders groß.
Es war ein echter Härtetest: Wenn ich es aushielt, dass er mir in der Öffentlichkeit so nahe kam, und wenn ich so etwas wie ein Gespräch mit diesem Mann führen konnte, den ich nach wie vor kaum kannte, konnte vielleicht wirklich etwas daraus werden. Irgendwann in ferner Zukunft.
»Alles klar?«, fragte er.
Was soll denn klar sein? , hätte ich ihn am liebsten gefragt, doch er wollte nur wissen, ob es für mich in Ordnung war, dass ich so dicht neben ihm saß und unsere Oberschenkel sich berührten. Mal abgesehen von Robin, der sich auf mich gestürzt hatte, und Stuart, der mich erfolgreich durch eine Panikattacke manövriert hatte, war dies das erste Mal seit ihm , dass ich körperlichen Kontakt zu einem Mann hatte.
»Es geht mir gut«, sagte ich und überlegte, wie rot meine Wangen wohl waren. »Ich habe mich nur gefragt – warum ich mich so fühle, aber ich weiß es auch nicht. Bei dir habe ich einfach keine Angst. Bei jedem anderen habe ich Angst, egal bei wem. Aber wenn du da bist nicht, obwohl ich nichts über dich weiß.«
Auf einen Zug trank er den halben Krug leer und stellte ihn dann entschlossen auf den Tisch.
»Ich bin froh, dass du bei mir keine Angst hast. Das brauchst du auch nicht.« Er nahm meine Hand und hielt sie fest. Ich blickte auf meine Finger, die von seinen umschlossen waren, und fragte mich, warum meine immer noch kalt waren, wo mir doch sonst so warm war. Ich stellte fest, dass seine Hände groß und kräftig und seine Fingernägel kurz waren. Ich wartete auf die Angst, doch sie kam nicht. Mein Herz schlug ziemlich schnell, aber nicht vor Angst.
»Und was mich angeht … nun, da habe ich dir einiges zu erzählen. Das wollte ich schon eine ganze Weile, hatte aber nie die Möglichkeit dazu. Dann fangen wir mal an.«
Ich wollte sagen, dass ich ihm nie die Chance gegeben hatte, etwas von sich zu erzählen, weil ich ihn kaum zu Wort hatte kommen lassen, doch glücklicherweise schaffte ich es, den Mund zu halten.
»Bevor ich hierhergezogen bin, habe ich mit meiner Freundin Hannah in Hampstead gewohnt. Nun, sie war wohl eher meine Verlobte als meine Freundin. Ich dachte, wir wären glücklich, aber anscheinend war dem nicht so.«
Er verstummte plötzlich und blickte auf meine Hand, die seine umschlang. Ich drückte sie leicht. »Was ist passiert?«
»Sie hat sich mit einem anderen getroffen. Mit jemandem von der Arbeit. Sie wurde schwanger und hat abgetrieben. Das erfuhr ich erst, als es schon vorbei war. Das war – sehr schwer.«
»Wie schrecklich!«, sagte ich und fühlte den Schmerz, der von ihm ausging.
Er fuhr mit dem Daumen sanft über meinen Handrücken, was mich erschaudern ließ.
»Ich nehme an, du bist noch nicht offen für eine neue Beziehung?«, fragte ich unverblümt, aber mit einem entschuldigenden Lächeln. Es geht doch nichts über Offenheit, sagte ich mir. Gott weiß, wie ich drauf gewesen
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