Wohin du auch fliehst - Thriller
Ich mag ihn, jedenfalls glaube ich das. Aber ich bleibe lieber allein.«
»Fühlst du dich nicht manchmal einsam?«
»Nein.«
»Oh, ich schon. Seit Ian mich verlassen hat, ist es wirklich schlimm. Ich versuche mich in Gegenwart der Kinder zusammenzureißen, aber wenn sie am Wochenende zu ihrem Vater gehen, wird es ganz still im Haus. Ich habe mir schon überlegt, irgendeinem Club beizutreten, was meinst du?«
»Du meinst so einen Single-Club? Eine Partnervermittlung?«
Ihre Wangen röteten sich. »Na ja, warum denn nicht? Es ist gar nicht so einfach, einen netten Mann kennenzulernen. Und vielleicht, dachte ich mir …«
»Vielleicht, was?«
»Vielleicht würdest du ja mitkommen.«
Ich starrte sie von der Seite an, während sie die Straße nicht aus den Augen ließ und das Lenkrad umklammerte. Ich suchte vergeblich nach einer Antwort.
»Wir sind da«, sagte sie und fuhr auf den Parkplatz. »Bist du bereit, die Höhle des Löwen zu betreten?«
Freitag, 12. März 2004
In den ersten Tagen danach fühlte ich mich seltsam leer, irgendwie hohl, so als hätte ich etwas Großes vollbracht, das ich noch nicht richtig verarbeitet hatte. Gleichzeitig hatte ich Angst. Sobald ich abends nach Hause kam, verriegelte ich meine Haustür zweifach und suchte nach Anzeichen dafür, dass er in meiner Wohnung gewesen war. Doch nichts war verändert oder verstellt worden. Jedenfalls nichts, was ich bemerkt hätte.
Ich hatte gedacht, dass es viel einfacher gelaufen war als erwartet. Dass er zur Vernunft gekommen wäre und letztlich doch gar nicht so übel war. Ich ertappte mich dabei, den Fehler bei mir zu suchen. Er war toll im Bett und besaß die Gabe, den Sex jedes Mal anders und immer wieder aufregend zu gestalten. Ich überlegte, ihm eine SMS zu schicken und ihn zu bitten, zu mir zurückzukommen, doch am Ende steckte ich mein Handy immer wieder zurück in meine Tasche.
Nach besagter Nacht sah ich ihn zwei Wochen lang nicht. Ich weinte nachts, vermisste ihn auf eine groteske Art und Weise. Aber das war mein Problem, schließlich war ich diejenige mit Bindungsängsten. Kein Wunder, dass er es schwierig fand, mit mir zusammen zu sein. Kein Wunder, dass er mich verlassen und sich nicht mehr bei mir gemeldet hatte. Ich schickte ihm ein paar SMS, die unbeantwortet blieben. Wenn ich ihn auf dem Handy anrief, landete ich direkt auf der Mailbox.
Zwei Wochen, nachdem er gegangen war, rief Claire an.
Ich war im Büro und arbeitete gerade an einer Präsentation, die ich am Nachmittag fertig haben musste. Claire war unge wöhnlich kurz angebunden und wollte wissen, wie es mir ginge.
»Alles bestens, Süße, und du?«
»Ich glaube einfach, dass du einen großen Fehler gemacht hast, mehr nicht.« Ich hörte die Tränen in ihrer Stimme, obwohl sie versuchte, die Fassung zu wahren.
»Einen Fehler? Wie meinst du das?«
»In Bezug auf Lee. Er hat mir erzählt, dass du mit ihm Schluss gemacht hast. Ich konnte es gar nicht glauben. Warum, um alles in der Welt, hast du das getan?«
Ich wollte etwas sagen, doch sie ließ mich gar nicht zu Wort kommen.
»Er hat mir erzählt, dass er mit dir verreisen wollte und so glücklich gewesen sei, als du in sein Leben getreten bist. Und das ausgerechnet in einem Moment, in dem er dachte, er könne nie wieder glücklich werden. Weißt du das von seiner letzten Freundin, Catherine? Hat er dir von Naomi erzählt? Wusstest du, dass sie sich umgebracht hat? Sie hat ihm einen Zettel hinterlassen und ihn gebeten, sich mit ihr zu treffen, weil sie sicherstellen wollte, dass er sie findet. Er ist nie darüber hinweggekommen. Er hat mir erzählt, dass er immer noch Albträume hat und ihre Leiche sieht. Dann hat er mir gesagt, dass du mit ihm Schluss gemacht hättest, weil du wieder mehr unter Leute gehen willst. Wie konntest du das bloß tun, Catherine, wie konntest du ihm das nur antun?«
»Warte mal, Claire – so war das nicht …«
»Hast du überhaupt eine Ahnung …«, fuhr sie inzwischen unter Tränen fort und brachte die Worte nur mit Mühe heraus. Ich sah sie förmlich vor mir, sah, wie ihr perfekter Teint ganz fleckig war vor Wut und den dicken Tränen, die jetzt unablässig über ihre Wangen kullerten. »Weißt du überhaupt, wie unfair das ist? Ich würde alles dafür geben, einen Mann wie Lee zu bekommen und jemanden zu haben, der mich so liebt wie er dich. Er liebt dich, Catherine, er liebt dich über alles. Du hast verdammt noch mal alles und wirfst es einfach so weg und – und – brichst
Weitere Kostenlose Bücher