Wohin du auch fliehst - Thriller
öfter mit meinen Freunden ausgehen und ein wenig mehr Zeit für mich selbst haben. Um nachzudenken.«
Nach diesen Worten setzte ich mich ganz vorne auf die Sofakante und presste die Knie zusammen. Ich spürte förmlich, wie die Anspannung stieg.
»Du hast sehr viel Zeit für dich, wenn ich arbeite.«
»Ich weiß, und das ist auch gut so«, sagte ich. »Ich komme aber nicht gerne nach Hause und stelle fest, dass du in meiner Abwesenheit hier gewesen bist. Ich möchte, dass du mir meinen Schlüssel zurückgibst.«
»Vertraust du mir nicht mehr?«
»Ich möchte einfach nur meinen Freiraum. Ich weiß gerne, wo meine Sachen liegen.«
»Was zum Henker hat das denn damit zu tun?«
»Du kommst hierher, wenn ich nicht da bin. Hinterlässt mir Nachrichten. Versteckst ein Foto von mir unter der Bettdecke.«
»Ich dachte, das würde dir gefallen. Weißt du denn nicht mehr, wann ich dieses Foto gemacht habe? Was wir gemacht haben? Ich weiß es noch. Ich denke ständig daran.«
»Ich weiß nur, dass du sagtest, du hättest es gelöscht. Aber anscheinend hast du das nicht.«
Er antwortete nicht darauf.
»Seit dem Einbruch habe ich Angst, Lee. Ich möchte nicht, dass du herkommst, wenn ich nicht zu Hause bin. Ich habe das Gefühl, dass meine Wohnung nicht mehr mir gehört.«
Ein Schweigen entstand. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie er links von mir neben der Tür stand. Er hatte sich weder davon weggerührt noch seinen Mantel ausgezogen. Er sah aus wie ein massiver Schatten, ein böser Geist, ein Albtraum.
»Willst du wieder Gott und die Welt vögeln?«, fragte er mit eisiger Stimme. »Willst du das?«
»Nein«, sagte ich. »Ich will einfach nur ein wenig Freiraum, mehr nicht. Außer meinen Freunden will ich niemanden treffen. Ich will einfach nur – nachdenken. Um mir ganz sicher zu sein.«
Daraufhin machte er plötzlich einen Schritt nach vorn. Ich muss zurückgewichen sein, denn als ich zu ihm aufsah, stand er wieder regungslos da. Er verzog keine Miene, doch in seinen Augen loderte es. Ohne ein weiteres Wort trat er wieder einen Schritt zurück und ging. Ich hörte, wie er die Haustüre auf- und leise wieder zumachte.
Er war gegangen.
Regungslos blieb ich eine Weile sitzen und wartete, dass irgendwas passierte. Keine Ahnung, was ich erwartete. Vielleicht dachte ich, er würde zurückkommen. Vielleicht würde er zurückkommen und mich schlagen oder irgendwas nach mir werfen, mich wüst beschimpfen.
Schließlich stand ich auf, ging nach oben, zog das blöde schwarze Kleid mit dem idiotischen Strassbesatz aus und beschloss, es nie wieder anzuziehen. Es würde in die nächste Kleidersammlung wandern, egal, was es mich gekostet hatte. Mitsamt dem roten Kleid. Ich wollte beide loswerden.
Erst als ich Stunden später immer noch hellwach im Bett lag und über alles nachdachte, fiel mir ein, dass er mir den Schlüssel nicht zurückgegeben hatte.
Montag, 14. Januar 2008
Caroline und ich waren auf dem Weg nach Windsor zu einem Meeting mit dem Führungsstab. Sie sollte über das Budget reden, während ich die Stellenausschreibungen für das neue Lagerhaus präsentieren wollte.
Caroline saß am Steuer und quasselte über die Arbeit, während wir über die M4 brausten. Ich war erschöpft und hatte Halsschmerzen.
Es tut mir nicht gut, wenn ich das Büro wegen eines Außentermins verlassen muss. Das stört meine Routine. Ich plante bereits meine Kontrollgänge zu Hause und nahm mir vor, sie richtig und sorgfältig zu machen, damit ich nicht wieder die ganze Nacht brauchte und einen Lärm veranstaltete, den Stuart noch hören konnte.
»Du siehst fertig aus, Liebes«, sagte sie schließlich.
»Ach ja?«
»Ist wohl gestern spät geworden, was?«
»Nicht wirklich. Ich fürchte, ich bekomme eine Erkältung.«
Ich starrte wieder aus dem Fenster. Wenn ich nur schlafen könnte, wenigstens für ein paar Minuten! Dann würde ich mich besser fühlen.
»Und wie läuft es mit dem entzückenden Mann von oben?«
»Oh. Na ja, immerhin redet er noch mit mir. Wir haben einen Ausflug unternommen.«
»Das klingt vielversprechend.«
»Es war nett.«
»Du klingst nicht sehr überzeugt.«
»Wir sind bloß Freunde, Caroline«, sagte ich.
»Quatsch!«, erwiderte sie.
Ich musste lachen. »Und wenn ich es dir doch sage: Da läuft nichts.«
»Ich wünschte, ihr würdet aufhören, euch zu beschnuppern, und einfach rangehen«, sagte sie.
»Glaub mir, das wird nichts«, erwiderte ich. »Wenn, wäre das schon längst passiert.
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