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Wohin mit mir

Wohin mit mir

Titel: Wohin mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Damm
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Komponisten Prof. Luca Lombardi und uns drei Stipendiaten ein. Michael Naumann ist mit seiner Gefährtin bereits ins Hotel gefahren.
    Neben mir sitzt eine hübsche junge Frau, sie vertritt Daimler-Chrysler und erzählt begeistert von ihrer Kulturarbeit und den Vorteilen des Zusammenschlusses mit dem amerikanischen Partner. Mir gegenüber Luca Lombardi. Um ein Gespräch anzuknüpfen, erzähle ich vom gestrigen Abend, von der Begegnung mit Hans Werner Henze. An der momentanen Veränderung seines Gesichtsausdrucks sehe ich, es war ein Fehler. Ein alter Mann mit Glatze, nichts weiter, sagt er fast wegwerfend. Schweigt. Ich könnte mich auf die Zunge beißen; ich weiß doch von meinen Freunden der komponierenden Zunft von den Animositäten der einzelnen Schulen zueinander; vermutlich gehört Lombardi zu den seriellen Komponisten, die alle anderen als romantische Neutöner abstempeln. Diese Intoleranz. Vielleicht muß sie sein. Oder ist hier ein persönliches Zerwürfnis im Hintergrund? Oder Neid?
    Lombardis Miene hellt sich überraschend schnell wieder auf, und ehe ich nach der Schrecksekunde in meinen Überlegungen, wie das Gespräch erneut in Gang zu bringen sei, zu einem Schluß komme, beginnt er von seinen Erfahrungen in der DDR zu erzählen. Er war Meisterschüler von Paul Dessau, war oft in seinem Haus in Zeuthen bei Berlin zu Gast. Ein Freund von mir lebe auf dem Nachbargrundstück, sage ich, und er kennt ihn natürlich, den Komponisten Paul-Heinz Dittrich. Er fragt nach Dessaus Frau Ruth Berg
haus, ob sie immer noch die begeisterte Schwimmerin sei. Wir lachen, denn auch ich habe sie – der Garten liegt am vielbefahrenen Wasserarm der Dahme – ins Wasser springen sehen, bei Temperaturen, bei denen niemand sonst mehr badet. Wir tauschen uns über weitere gemeinsame Bekannte aus, über die Sängerin Roswitha Trexler, über Georg Katzer und Frank Schneider. Als wir uns verabschieden, versichert er mir, wenn er in Berlin sei, werde er mich besuchen.
     
    Spät ins Bett. Noch drei Tage bis Venedig.
     
    24. September
    In ganz Rom besteht heute Fahrverbot für Autos. Ich schlendere die Via Bocca di Leone entlang, biege in die Via Tomacelli ein, von der Piazza del Porto di Ripetta aus laufe ich ein Stück den Lungotevere Marzio entlang. Keine Abgaswolken, schon nach den wenigen Stunden eine deutlich andere Luft und eine vergleichsweise himmlische Ruhe. Die veränderte Geräuschkulisse, nicht das übliche Hupkonzert; erstmals erlebe ich in Rom den heiteren Lärm spielender Kinder, höre das Absatzklappern der Frauen, die Stimmen der Vorübergehenden, die Rufe der Straßenhändler.
    Ich verliere mich in kleinen Gassen. Suche ein Geschenk für Siegfried Unseld. Und ein besonderes Papier, in den ich den aus den Bergen Lapplands für ihn mitgebrachten Stein wickeln kann. Finde beides, gehe zufrieden zurück.
     
    Auf dem Heimweg Schmerzen im Bein, irgend etwas habe ich mir verzogen. Die Schmerzen werden heftiger, lokalisieren sich im Knie. Am Abend ist das Bein völlig angeschwollen, ich kann nicht mehr laufen, keinen Schritt ohne heftige Schmerzen gehen.
    In der Casa ist niemand mehr.
    Kühle das Bein und lege es hoch, sagt Bettina am Telefon. Morgen früh sehen wir weiter.
     
    25. September
    Die Schmerzen sind heftiger, die Schwellung ist nicht zurückgegangen.
    Keine zwei Tage mehr bis Venedig.
    Ich rufe Bettina erneut an. Sie habe sich noch gestern bei einem befreundeten Arzt nach einem Spezialisten erkundigt, sagt sie. Dieser habe heute Dienst in der Notaufnahme eines Krankenhauses, das in ihrer Nähe sei. Sie hole mich ab. Ich weiß, wie unabkömmlich sie in ihrer Buchhandlung ist, bin ihr dankbar.
    Endlos langes Warten in der Klinik. Dann ein junger deutscher Arzt, er erzählt von den großen Vorteilen, im Ausland zu arbeiten. Wieder Warten. Nach der Röntgenaufnahme beruhigt er mich. Nichts Schlimmes, ein kleiner Riß. Verkühlt in der Nacht durch den Luftzug der Klimaanlage, vermutet er. Zwei Spritzen, starke Medikamente für die nächsten Tage. Schnell werde es nicht gehen, aber ich könne nach Venedig reisen, mit Zähne zusammenbeißen und etwas Humpeln könne ich gut vorwärts kommen.
     

26. September
    Mehrmals in der Nacht umgezogen. Klitschnaß erwacht. Vermutlich die Tabletten.
    Im Sekretariat erfahre ich: Die Eisenbahner streiken. Frau Crea versucht es mit einem Flug nach Venedig. Alles ausgebucht. Ich, die den kürzesten Weg hat (Semprún kommt aus Paris, Amos Oz aus Jerusalem, Begley aus New York), komme

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