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Wohin mit mir

Wohin mit mir

Titel: Wohin mit mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Damm
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Räume dazwischen sich beleben.
     
    Dann das Erlebnis der Kirche San Clemente. Dieser geheimnisvolle Bau, aus Ober- und Unterkirche und dem noch darunter liegenden Mithräum bestehend. Die Mosaiken aus dem 12. Jahrhundert in der Apsis der Oberkirche, ein Arkantus rankt vom Kreuzstamm, breitet sich nach allen Seiten und erfüllt den Raum, der zum Weltenraum wird, zwölf Tauben als Sinnbilder der Apostel, das Himmelszelt, unten die Stadt Jerusalem auf der rechten und Bethlehem auf der linken Seite und auf leuchtend blauem Grund der Fries mit den zwölf Schafen, in der Mitte das Agnus Dei. In der Unterkirche mit den zwischen 847 und 855 geschaffenen Fresken: Christus in der Vorhölle und die Hochzeit zu Kanaan.
    Und schließlich, nochmals tiefer, das Mithräum, das Heiligtum eines in der Antike weit verbreiteten Kultes. Ein kleiner Raum mit einem Wandgemälde. Eine umlaufende Bank. Auf dem Kultbild Hund, Schlange, Skorpion, Stier. Wir versuchen, die erzählte Geschichte zu enträtseln, es gelingt uns nicht, wir müssen Geschriebenes zu Hilfe nehmen. Mithras war der höchste Priester des Kultes, er wurde aus einem Felsen geboren, in jener Nacht des 24. Dezember, auf die das Christentum später die Geburt ihres Erlösers datieren wird. Mithras ist zu sehen, wie er den Urstier tötet. Hund und Schlange lecken das Blut auf, der Skorpion beißt in die Hoden des Stiers, aus dem Samen entsteht die Welt. Ein antiker Schöpfungsmythos also. Wir sitzen in dem unterirdischen kleinen Andachtsraum. Die Zeit scheint angehalten.
    Über die Sakristei der Oberkirche gelangen wir zum Ausgang von San Clemente, stehen im grellen Licht auf der Via di San Giovanni in Laterano. Wollen wir wirklich noch zum Kaiserpalast von Nero, frage ich die Freundin. Sie nickt heftig. Dann laß uns eine Pause machen, sage ich. Wir laufen zur Via Labicana. Suchen ein kleines Straßencafé, bestellen einen Caffè al vetro, einen Latte macchiato und zwei Tramezzini, stärken uns am Rande der mehrspurigen, von wildem Verkehr überfluteten Straße inmitten von Abgasen und Lärm.
    Dann der Kaiserpalast. Er ist nicht weit entfernt, wir können ihn zu Fuß erreichen, müssen die Via Labicana überqueren – ein Kunststück bei diesem Verkehr –, dann die Viale Fortunato Mizzi, wir sind schon im Grün des Parco Oppio, nach wenigen Minuten stehen
wir vor dem Eingang zum Domus Aurea, dem von Kaiser Nero nach dem Brand in Rom im Jahr 64 n. Chr. errichteten Palast. Nur ein kleiner Teil der unterirdisch liegenden Residenz ist ausgegraben und restauriert. Wir besehen das Nymphäum, bewundern den architektonisch raffiniert gestalteten achteckigen Kuppelsaal. Ein unglaublicher Luxus. Und das alles in vier Jahren geschaffen. Der dadurch für unabsehbare Zeit ruinierte Staatshaushalt. Am berührendsten die Reste der Wandmalereien, Tier- und Fabelwesen, halb floral, in warmen Rot- und Brauntönen. In der Renaissancezeit, als die Ausgrabungen begannen, war es Raffaello Sanzio, der als einer der ersten in die Tiefe kroch und die Wandmalereien in den freigelegten Erdhöhlen entdeckte, fasziniert von ihnen übernahm er sie in seine eigene Bildsprache, vor allem in seinen für die Loggien des Vatikan geschaffenen Fresken.
    Als wir die Domus Aurea verlassen, finden wir uns am Museumsausgang von fliegenden Händlern umringt. Sie bieten nicht nur Getränke, Eis, Sonnen- und Regenschirme an, sondern vor allem Kriegsspielzeug. Es sind meist junge Schwarzhäutige; geschickt nutzen sie den Überraschungseffekt, lassen das Spielzeug unmittelbar vor die Füße der Touristen auf die Erde fallen, die Mechanik wird ausgelöst. Panzer und Raketenautos rattern, Soldaten mit Khakiuniformen, auf dem Helm das NATO -Zeichen, robben über den Boden, andere gehen mit gefletschten Zähnen in Stellung und schießen. Die häßlichen, brutalen Gesichter der Spielzeugkrieger, die im Kontrast zu den ausnahmslos schönen dunkelhäutigen ihrer Anbieter stehen. Wir beob
achten, ihr Geschäft geht gut, vor allem ältere Frauen kaufen diese Scheußlichkeiten, offenbar für die Enkel zu Hause.
    Wir leisten uns ein Eis, schlendern durch die weiten Grünanlagen des Parco Oppio. Die Freundin bewundert die hohen Pinien mit ihren ausladenden Schirmen. Anschließend besuchen wir in der nahgelegenen Kirche San Pietro in Vincoli Michelangelos Moses, die Skulptur mit den zwei Hörnern. Wir sind augen- und fußmüde. Die Pension in der Via Cesare Balbo, in der die Freundin wohnt, ist von San Pietro in Vincoli aus in

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