Wohin mit mir
beiden in Palermo.
Dann reisten sie, begleitet von einem Vetturin , einem Eselstreiber, zu Pferde oder auf Mauleseln über Alcamo nach Segest, nach Castell Veterano, Grigent, Caltanisetta, Castro Giovanni und schließlich über Catania und Taormina nach Messina.
In Palermo wurde der Autor des »Werther« vom Vizekönig empfangen, und dieser versprach, ihn auf seinem Weg durch Sicilien auf alle Weise zu fördern . Im Landesinneren aber war es zuweilen schwierig, eine leidige Herberge zu finden. In der Gegend um Etta gab es zwar für die Maultiere … prächtig gewölbte Ställe und die Knechte schlafen im Klee, das für die Tiere bestimmt ist , aber für die Reisenden gab es weder Betten noch Tische und Stühle. Einzig niedrige Böcke aus starkem Holz waren vorhanden. Diese benutzten Goethe und Kniep als Bettfüße, borgten sich bei einem Tischler … so viel Breter als nötig sind, gegen eine gewisse Miete , und den große Juchtensack , den ihnen der Maler Philipp Hackert für die Reise überlassen hatte, füllten sie mit Stroh. Und das Nachtlager war fertig.
Befremdlich waren ihnen manche Eßgewohnheiten der Sizilianer. So verzehrte ihr Vetturin rohe Kohlrabi und rohe Artischocken. Und in einem Tal, wo ungeheure Distelmassen wuchsen, begegnen ihnen ein paar sicilianische Edelleute , und sie sehen mit Verwunderung, wie diese mit scharfen Taschenmessern, vor einer solchen Distelgruppe stehen und die obersten Teile dieser emporstrebenden Gewächse niederhauen; sie faßten alsdann diesen stachligen Gewinn mit spitzen Fingern, schälten den Stengel und verzehrten das In
nere desselben mit Wohlgefallen. Als der Vetturin auch ihnen solches Stengelmark zubereitet und versichert, es sei eine gesunde kühlende Speise, wollte es uns aber so wenig schmecken als der rohe Kohlrabi ; die beiden bleiben dabei, sich an Wein … und gutem Brot zu erquicken.
Als Goethe dreißig Jahre später seine »Italienische Reise« verfaßt, verbrennt er alle Papiere, auf Neapel und Sizilien bezüglich . Er widmete sie dem Feuer , heißt es. Nur weniges bleibt erhalten, so ein Brief an Frau von Stein vom 17. April 1787. Ihn schenkt er im Februar 1816, also noch zu Lebzeiten Charlottes, seinem Freund Zelter: … sende ich Dir ein uralt Blättchen, das ich nicht verbrennen konnte. Was man doch artig ist, wenn wir jung sind.
An diesem 17. April besucht der Siebenunddreißigjährige den Botanischen Garten in Palermo. Im Angesicht so vielerlei neuen und erneuten Gebildes , schreibt er nach Weimar, fiel mir die alte Grille wieder ein: ob ich nicht unter dieser Schar die Urpflanze entdecken könnte? Später wird er notieren: So leuchtete mir … in Sizilien die ursprüngliche Identität aller Pflanzenteile vollkommen ein.
Sizilien als der Ort, wo er zu seiner Welterschaffung … manches erobert . Nicht nur in bezug auf die Botanik, sondern vor allem auf die Geologie. Goethe, seit seiner Verantwortung für das Ilmenauer Bergwerk leidenschaftlich am Phänomen der Erdentstehung interessiert, sammelt in Sizilien unablässig Gestein, die rote tonig-kalkige Erde fasziniert ihn, immer wieder ist von in verschiedensten Schichten gefundenem Kalk
stein die Rede. Hat er noch seine in Thüringen entstandene Idee einen »Roman über das Weltall« zu verfassen, im Kopf? In Neapel besteigt er dreimal den Vesuv. In Sizilien will er von Catania aus auf den Ätna. Er erhofft – das Meer ist nahe –, Kalkablagerungen zu finden, die vor tausenden Jahren entstanden sind. Als zu gefährlich wird die Besteigung des Ätna aufgegeben. Statt dessen reitet er am 4. Mai 1787 auf einem Maultier zusammen mit dem Maler Kniep zu einem Nebenkrater des Ätna, zum Doppelgipfel des Monte-Rosso . Der Weg führt in die Region der durch die Zeit noch ungebändigten Laven. Zackige Klumpen und Tafeln starrten uns entgegen … Wir rückten dem roten Berge näher, ich stieg hinauf; er ist ganz aus rotem vulkanischen Grus, Asche und Steinen zusammengehäuft. Dort findet er das, worauf es ihm ankommt, alte Lava vom Ausbruch des Ätna im Jahr 1669. Die Kalkvorkommen waren für Goethe die Bestätigung der Stetigkeit der Erdentwicklung. Seine entschiedene Wendung gegen die Theorie der Vulkanisten, und sein lebenslanges Bekenntnis zum Neptunismus hat in Sizilien seinen Ursprung. Seine Erkenntnisse in Botanik und Geologie meint er wohl, wenn er davon spricht, daß in Sizilien … der Schlüssel zu Allem liege, wenn er die Insel als den wundersamen Punkt bezeichnet, wohin so viele
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