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Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)

Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)

Titel: Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Bonyhady
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zu erheben, möglicherweise weil er juristisch schlecht beraten war. Sonst hatte er Erfolg, vor allem in England, wo der Oberste Gerichtshof Auer das Verdienst zuschrieb, »zum ersten Mal die Erzeugung eines strahlenden Glühlichts mittels einer gewöhnlichen Gasflamme produktionsreif gemacht« und damit »einen großartigen neuen Industriezweig geschaffen« zu haben.
    Firmen, die elektrische Glühbirnen herstellten, unternahmen in der Folge neue Forschungsanstrengungen, um ihre Glühbirnen zu verbessern. Da die Kohlefäden von Thomas Edison kurzlebig und ineffizient waren und gelbes Licht produzierten, galt es, sie zu ersetzen. Auer hatte zwar wenig oder gar keinen Anlass, einer Technologie aufzuhelfen, die der Hauptkonkurrent seines Gaslichts war, dennoch war auch er unter den weltweit Hunderten Forschern, die sich damit befassten. 1898 entwickelte er die ersten Metallfäden, sie bestanden aus Osmium, lieferten ein beständiges weißes Licht und verbrauchten dabei halb so viel Elektrizität; allerdings waren sie spröde und teuer. 1900 wurden diese Glühbirnen bei der Pariser Weltausstellung gezeigt, sie beleuchteten auch Franz Josephs Arbeitszimmer in Wien. 1902 waren sie in Österreich und Deutschland bereits in Massenproduktion, in den nächsten vier Jahren wurden zwei Millionen Stück verkauft.
    Der Gasglühstrumpf war weit erfolgreicher und auf der ganzen Welt verbreitet, wie aus einer 1905 von der Welsbach Light Company aufgegebenen Anzeige im
Sydney Bulletin
hervorgeht. »Jedermann kennt den Glühstrumpf«, heißt es in der Anzeige zu Beginn, »in blendendem Glanze erstrahlt er in jedem Land und unter jedem Himmelsstrich und wird allerorten als das hellste und mildeste Beleuchtungsmittel gerühmt, das die menschliche Erfindungsgabe bis heute hervorgebracht hat.« Der Ausstoß war gewaltig. Die australische Zweigstelle produzierte in ihrer Fabrik in Sydney bis zu 12.000 Glühstrümpfe pro Tag, an die zwei Millionen im Jahr. Die britische Firma erzeugte in London bis zu dreißig Millionen, die amerikanische Fabrik in Gloucester City, New Jersey, bis zu vierzig Millionen jährlich.
    Die Auswirkung des Glühstrumpfs nicht nur in Gebäuden, sondern auch auf den Straßen der Welt war tiefgreifend. Es begann in Bombay, rasch folgten andere Städte, vor allem in Deutschland, wo die Zahl der Laternen, die mit dem Gasglühstrumpf ausgestattet wurden, zwischen 1895 und 1905 um 1300 Prozent stieg. New York lag nicht weit dahinter; die Bewohner bemerkten 1904 eine große Verbesserung, als man 16.000 Straßenlaternen in Manhattan und der Bronx mit Glühstrümpfen versah. Ein Jahrzehnt später war »Gotham by Gaslight« (aus den Batman-Comics) nicht mehr Stoff für Fiktion, sondern Realität. Die weltweite Jahresproduktion hatte 300 Millionen erreicht, und die Hälfte der 82.000 Straßenlaternen New Yorks wurde umgerüstet.
    Auers wichtigster juristischer Berater war Moriz’ Bruder Adolf, der erste Gallia mit einem Universitätsabschluss. Nachdem er 1870 von Bisenz nach Wien gezogen war, studierte er Jus, eine Berufsrichtung, welche die meisten Juden einschlugen und die sie bald dominierten. Binnen kurzem war er einer der führenden Patentanwälte Wiens und Auer sein wichtigster Klient; er deckte ihn mit so vielen Aufträgen ein, dass Adolf kaum noch Zeit hatte, jemand anderen zu vertreten. Er vertrat Auers Rechte am Gasglühstrumpf in Österreich und beriet ihn, wie er seine Rechte weltweit am besten schützen und auswerten könne. Er wurde Direktor und später Vizepräsident der Österreichischen Gasglühlichtgesellschaft und war an der Gründung der deutschen Auergesellschaft beteiligt. Zudem beriet er Auer bei seinen anderen Erfindungen, darunter die Osmium-Glühbirnen. Bei Auers Hochzeit war er als einer von bloß zwei Gästen geladen.
    Diese Geschäftsverbindung war wesentlich für Adolfs Aufstieg zum Reichtum, in dessen Gefolge er gemeinsam mit seiner Frau Ida erheblichen Grundbesitz und Immobilien erwarb. Zuerst kauften sie in den 1890er Jahren eine riesige Sommervilla im Kurort Baden bei Wien. 1903 ließen sie zwei angrenzende fünfstöckige Wohnhäuser im Wiener ersten Bezirk errichten. Das eine war ein relativ bescheidener Block in der Biberstraße, er gehörte Adolf und wurde vermietet, das andere ein riesiger Block, der bis zur Ringstraße reichte; Adolf hatte ihn gemeinsam mit Ida gekauft und der Lage entsprechend weit imposanter ausgestaltet. In diesem Gebäude, bekannt vor allem wegen des Café Prückel im

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