Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)
Ehebruch, Trennungen und Scheidungen im Gefolge hatten. Einige der anderen Modelle Klimts entsprachen diesem Muster. Rose von Rosthorn-Friedmann war bereits zum zweiten Mal verheiratet, als Klimt sie malte, Gertrud Loew heiratete nur wenige Jahre später neuerlich. Margarete Wittgenstein trennte sich von ihrem Ehemann. Die Ehe von Sonja Knips war unglücklich, wie jeder wusste. Diejenige von Adele Bloch-Bauer beruhte eher auf gegenseitigem Respekt als auf Liebe. Doch bei Hermine sah das anders aus, obwohl ihre Ehe auch deswegen zustande gekommen war, weil ihr Vater reich und Moriz finanziell erfolgreich war.
Ein Foto von Hermine und Moriz aus dem Jahr 1898, als sie fünf Jahre verheiratet waren, vermittelt eine Ahnung von ihrem Glück. Die Stereografie stammt aus einer in der Villa von Adolf und Ida Gallia in Baden aufgenommenen Serie, wahrscheinlich von Adolf selbst angefertigt, der seine Familie und Freunde offenbar vor der Kamera posieren ließ, ebenso wie Auer von Welsbach seine Familie und Freunde auf den Edison-Wachszylindern aufnahm. Das Foto zeigt Moriz und Hermine vor dem Eingang der Villa, sie lächeln einander an und küssen sich, die Körper berühren sich, die Hände hängen seitlich steif herunter, als müssten sie dem Impuls widerstehen, einander zu halten.
Hermines Opern-, Theater- und Konzertbuch erzählt mehr über ihre Beziehung. Ihre Art, die seltenen Gelegenheiten zu beschreiben, bei denen sie nur mit Moriz ausging statt mit einer größeren Gruppe von Verwandten und Freunden, bekundet ihre Freude, ihn ganz für sich zu haben. »Wir beide allein«, notierte sie, oder »allein mit Schatz«. Ihre Angewohnheit, zu erklären, warum Moriz nicht anwesend war, wenn sie mit anderen Familienmitgliedern ausging, ist noch aufschlussreicher: »Schatz Berlin«, schrieb sie dann fast immer.
Das Tagebuch, das Hermine 1909 im neuen Sommerhaus in Altaussee begann, zeichnet ein ähnliches Bild. Hermine nannte es »Wettertagebuch«, als hätte sie nichts anderes vorgehabt, als das notorisch unbeständige Altausseer Klima zu notieren, und manchmal tat sie das auch, wobei es außer Regen nichts zu verzeichnen gab. Doch meist legte sie umfangreichere Aufzeichnungen an, in denen Moriz, der wegen seiner Arbeit die Stadt nur für Kurzurlaube verlassen konnte, nicht nur als Hermines »Schatz« auftaucht, sondern gelegentlich auch als ihr »Schätzle«; eine Verkleinerungsform, die auf Zuneigung schließen lässt. Nach einem relativ ausgedehnten, fünftägigen Aufenthalt 1909 – Moriz und Hermine ließen sich dabei auf eine ungewohnte Kraftanstrengung ein und versuchten sich am jüngst modisch gewordenen Bergsteigen; angeseilt an zwei Bergführer überquerten sie einen Gletscher und erreichten beinahe den Dachsteingipfel – hielt Hermine Moriz’ Rückkehr nach Wien mit offensichtlicher Gemütsbewegung fest: »Der Abschied fiel uns wie immer sehr schwer.«
Moriz’ einziger erhaltener Brief an Hermine, geschrieben 1913, als er in Wien und sie in Altaussee war, ist ebenso leidenschaftlich. »Mein gutes Herz!«, beginnt er. Hermine ist sein »Schatz« und »Schätzle«, so heißt es dreimal, während er betont, wie sehr er sich nach ihr sehne. Doch bemerkenswert ist der Brief vor allem deshalb, weil Moriz darin eine detaillierte Schilderung seiner Geschäfte gibt, darunter Zahlungen und Preise, was vermuten lässt, dass er gewohnt war, sich ihr anzuvertrauen, und ihr Urteil schätzte. Sein Testament, das er 1917 endgültig festlegte, ist ähnlich. Es war zwar üblich für Ehemänner, ihren Frauen im Testament Tribut zu zollen, doch Moriz tat dies ungewöhnlich inbrünstig. Er spricht von Hermine als von jemandem, mit dem »ich in glücklichster Ehe lebe, die mir stets eine treue, brave und herzensgute Gefährtin war und der ich in unendlicher Liebe und Treue zugetan bin«. Laut Familientradition habe Moriz Hermine »adored and cosseted« (angebetet und verwöhnt).
Ein Exlibris, das Käthe und Lene 1918 als Geschenk zur Silberhochzeit ihrer Eltern 1918 bestellten, liefert einen weiteren Hinweis auf ihre Ehe. Bei aller Idealisierung und Übertreibung, die zu solchen Jahrestagen üblich sind, symbolisiert es doch die starke Bindung zwischen Moriz und Hermine. Es zeigt einen Mann und eine Frau, die einander an der Hand halten, über ihnen sind zwei Blütenzweige zu einem Liebesknoten gewunden. Es sind typisierte Figuren im Gewand des 17. Jahrhunderts ohne jeden Versuch von Ähnlichkeit, doch sie repräsentieren Moriz und
Weitere Kostenlose Bücher