Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)
Interessenkonflikt, da er seine Stellung im Kunstbeirat der Regierung nutzte, um für eine Galerie zu werben, deren Gründungsdirektor er selber werden wollte. Inzwischen erwarb die Secession Bilder aus ihren eigenen Ausstellungen, die sie dann der Regierung zum Geschenk machen wollte, um die neue Galerie mit Ausstellungsstücken zu versehen. Außerdem versuchte sie einige der reichsten Mäzene zu gewinnen, größere Ölgemälde für diesen Zweck anzukaufen. Moriz reagierte als Erster und finanzierte »Die bösen Mütter«.
Dass sich die Secession auf die »Bösen Mütter« versteifte, hatte seinen Grund in einem internationalen Wettstreit um Segantini zwischen Österreich, wo er geboren worden war, Italien, wo er den Großteil seines Lebens verbracht hatte, und der Schweiz, wo er gestorben war. Anfangs hatte Italien Segantini beansprucht und sein Werk bei Weltausstellungen gezeigt; die Schweiz wiederum verlieh ihm posthum die Ehrenbürgerschaft und richtete in St. Moritz ein Segantini-Museum ein. Österreich begann 1896 mit der Eingemeindung des Malers, als das Wiener Künstlerhaus ihn einlud, an der jährlichen Ausstellung teilzunehmen, und ihm die Goldmedaille zuerkannte. Die kaiserliche Regierung folgte und hob seine Einstufung als Deserteur auf; er hatte den österreichischen Militärdienst nicht absolviert. Am meisten leistete die Secession; bei der ersten Ausstellung war ein ganzer Raum dem Werk Segantinis gewidmet, außerdem fand eine Retrospektive statt, die einen Besucherrekord erzielte.
Nun brauchte Österreich noch einen größeren Segantini. Wenn in Wien eine moderne Galerie eröffnete, musste eines seiner besten Gemälde dort vertreten sein. Dem standen die Kosten im Wege: Nach seinem Tod 1899 waren die Preise in den Himmel geschossen, er war inzwischen einer der weltweit teuersten Maler. Bei der Ausstellungseröffnung 1901 in der Secession kostete eines von Segantinis kleinen späteren Werken 40.000 Kronen, Moriz’ Jahresgehalt in der Gasglühlichtgesellschaft und viermal so viel wie das, was Klimt einige Jahre später für seine weit größeren Porträts erzielte. Doch Franz Servaes von der
Neuen Freien Presse
war nicht der Einzige, der annahm, Segantinis Werk werde bald noch weitaus teurer werden. Nachdem Franz Joseph die Ausstellung besucht hatte, war Servaes zuversichtlich, der Regierung werde es gelingen, »das größte Werk des größten österreichischen Künstlers der letzten Generation«, Segantinis ambitioniertestes Werk, sein »Alpen-Triptychon«, zu kaufen, in dem er sich mit Leben, Tod und Natur befasste. Als das nicht geschah, stellte Moriz das Geld für »Die bösen Mütter« zur Verfügung, es bildete das Zentrum des ersten Ausstellungsraumes.
Die Bedeutung der »Bösen Mütter« wurde im nächsten Jahrzehnt noch öfter unterstrichen. Bei der Eröffnung der Modernen Galerie war das Gemälde ausgestellt, zusammen mit einem der seltenen figuralen Bilder Monets und zwei Klimt-Landschaften. Als die Secession ein Jahr danach auf ihren Beitrag zum österreichischen Kunstleben zurückblickte, bezeichnete man »Die bösen Mütter« als bedeutendste Schenkung an den Staat, sie übertraf noch van Goghs »Ebene von Auvers«, die ein anderer Mäzen der Secession für die Galerie erworben hatte. »Die bösen Mütter« beeinflussten auch, wie die Secession gehofft hatte, den Lauf der österreichischen Kunst; die Wirkung war vor allem in einer Reihe von Landschaften des jungen Egon Schiele mit stark stilisierten kahlen Bäumen zu erkennen.
Auer von Welsbach mag Moriz’ Schenkung beeinflusst haben; er spendete nicht nur öfter großzügig an Wohltätigkeitsorganisationen für Kinder und Studenten, sondern bedachte auch die Secession. Er engagierte sich als Philanthrop, weil er der Meinung war, der Gesellschaft, die ihn zu Reichtum hatte kommen lassen, etwas zurückgeben zu müssen. Zudem war ihm klar, dass die kaiserliche Regierung Philanthropie mit einer Reihe von Titeln zu belohnen pflegte, die in einer so sehr auf Titel bedachten Gesellschaft großes Prestige verliehen. Der Stahlmagnat Karl Wittgenstein hatte die Erhebung in den Adelsstand abgelehnt, er meinte, eine solche Standeserhöhung betone bloß seinen Status als Emporkömmling, sonst aber war in Österreich jeder, der nur irgendwie Anspruch auf einen Titel hatte, äußerst erpicht darauf. 1901 war Auer an der Reihe. Da er bereits »von Welsbach« war, wurde er per Dekret in den erblichen Freiherrenstand erhoben.
So wie die Schenkung
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