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Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)

Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)

Titel: Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Bonyhady
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ihn mit einer Porträtserie beauftragte und er Professor an der Akademie der bildenden Künste wurde. Nachdem Waldmüller jedoch zwei Polemiken gegen die Akademie veröffentlicht hatte, wurde er mit einer geringen Pension in den vorzeitigen Ruhestand geschickt. Bei seinem Tod 1865 war er beinahe vergessen, und das blieb so bis Mitte der 1890er Jahre, als Traditionalisten, die seinen Realismus bewunderten, wie Avantgardisten, die seine Angriffe auf die Akademie, seine Unterstützung jüngerer Künstler und seine Vorwegnahme des Impressionismus durch seine Freiluftmalerei lobten, ihn beide für sich reklamierten. Als seine Bilder bei der Ausstellung österreichischer Kunst zu Franz Josephs Thronjubiläum 1898 in einem eigenen Raum präsentiert wurden, setzte der Kritiker Ludwig Hevesi Waldmüller an den Beginn einer Abstammungslinie radikaler österreichischer Kunst und bezeichnete ihn als »Ursecessionist«.
    Waldmüllers Bilder erzielten bald immense Preise. Laut einer Quelle waren seine Bilder 1907 zehnmal mehr wert als zu seinen Lebzeiten. Wichtigster Händler war Moll, der beinahe ständig Werke auf Lager hatte, nachdem er seine erste Ausstellung in der Galerie Miethke Waldmüller gewidmet hatte. Moriz und Hermine kauften zwei kleine Porträts eines Mannes und einer Frau aus dem Jahr 1837, der fruchtbarsten Schaffensperiode des Malers, der damals alle zwei bis drei Wochen neben einer Reihe anderer Werke auch ein Porträt vollendet hatte. Beide Bilder strahlen die behagliche Selbstgewissheit aus, die Waldmüllers Auftragsporträts kennzeichnen. Sie sind in beinahe frontaler Ansicht vor neutralem Hintergrund positioniert, Waldmüllers Standardkomposition, auf glatter, glänzender Oberfläche, mit der bemerkenswerten Detailtreue, die ihm den Beinahmen »der österreichische Ingres« einbrachte, und wirken keineswegs radikal. Moriz und Hermine mögen sie gefallen haben, weil sie altes Geld, Identität und Kultur symbolisierten und doch bei den Modernen etwas galten.
    Die beiden kauften auch Werke der innovativsten Landschaftsmaler der 1870er und 1880er Jahre, Emil Jakob Schindler und Rudolf Ribarz, deren Nachlass von Moll verwaltet wurde. Sie erwarben Werke von Mitgliedern der Klimt-Gruppe, darunter zwei Hafenszenen von Max Kurzweil, der 1907 in der Galerie Miethke ausgestellt hatte. Der Künstler aber, der in ihrer Sammlung den gewichtigsten Platz einnahm, war Moll selbst. Hermine und Moriz waren Molls bedeutendste Mäzene, sie kauften etwa zehn seiner Gemälde, darunter eine in Freudenthal gemalte Landschaft, und seine schönste Reihe von Druckgrafiken, eine von der Wiener Werkstätte herausgebrachte Mappe mit zwölf Holzschnitten der zwölf Häuser in und um Wien, in denen Beethoven gewohnt hatte.
    Auslöser für diese Sujets war eine von der Secession 1902 rund um eine von dem deutschen Künstler Max Klinger geschaffene massive farbige Skulptur Beethovens arrangierte Ausstellung. Sie gedachte auch des hundertsten Jahrestages des Heiligenstädter Testaments, Beethovens berühmtestes schriftliches Zeugnis, in dem er seinen Schmerz angesichts der zunehmenden Taubheit in Worte fasste. Moll schuf einen Holzschnitt des Beethovenhauses in Heiligenstadt, der im Ausstellungskatalog abgebildet wurde. 1903 vollendete er ein Gemälde mit demselben Sujet; Hermine und Moriz kauften es, nachdem Moll es in der Secession gezeigt hatte. Drei Jahre später vollendete er seine Serie von zwölf Holzschnitten, die 1908 bei der wichtigsten Ausstellung, die Klimt nach seinem Abgang aus der Secession organisierte, der Kunstschau Wien, zu sehen waren; dort waren auch Klimts erstes »goldenes« Porträt von Adele Bloch-Bauer und sein »Kuss« ausgestellt.
    Die Beethoven-Ausstellung in der Secession ist berühmt für ihr Zusammenspiel der Künste. Mahler dirigierte bei der Eröffnung einen Satz aus Beethovens Neunter Symphonie, einige Secessionsmitglieder, darunter Klimt, schufen Friese und Reliefs und gestalteten damit rund um Max Klingers Skulptur ein Gesamtkunstwerk. Doch nicht nur Musiker, Bildhauer und Maler hatten sich zusammengefunden, um Beethoven zu würdigen, auch Mäzene wie die Gallias, die sich dem Beethoven-Kult hingaben, überbrückten die Gräben zwischen den Künsten. Nachdem Moriz und Hermine bei etlichen Beethoven-Konzerten Mahler hatten dirigieren sehen, sammelten sie einige der bedeutendsten Kunstwerke der Secession, die sich mit dem Leben Beethovens in Wien befassten.
    Adele Bloch-Bauer und ihr Mann Ferdinand, der

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