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Wohnraum auf Raedern

Wohnraum auf Raedern

Titel: Wohnraum auf Raedern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Silbers.
    Ich schrieb eine Erzählung für die Illustrierte, das Hirn sang zum Militärmarsch:
     
    Ach, Senor,
    Was meinen Sie?
    Bin ich ein Genie?!
     
    Die Hitze! Die Hitze!

Der Trillionär
     
     
    Ich ging eine NEP-Familie besuchen, die ich kannte. Von den Schriftstellern hatte ich genug. Die Boheme ist nur bei Murger gut – Rotwein, hübsche Mädchen ... Die Moskauer literarische Boheme hingegen ist bedr ü ckend.
    Du kommst herein und wirst gebeten, dich auf eine Kiste zu setzen, aus der rostige Nägel herausstehen, oder es gibt keinen Tee, oder es gibt Tee, aber keinen Z u cker, oder im Nachbarzimmer bei der Wirtin wird Schnaps gebrannt, und dort drücken sich Leute mit verschwollenen Gesichtern herum, und du sitzt wie auf Nadeln vor Angst, weil die Polizei kommen könnte, um die Verschwollenen zu verhaften und dich mit dazu, oder, was am schrecklichsten ist, junge Dichter fangen an, ihre Gedichte zu lesen. Zuerst einer, dann der näch s te, dann der dritte ... Mit einem Wort, unerträglich.
    Bei den NEP-Leuten war es außerordentlich ang e nehm. Tee, Zitronen, Kuchen, ein Dienstmädchen, Parfumgeruch überall, silberne Löffel, (Anmerkung für den erschrockenen Ausländer: ein platonisches Vergn ü gen), die Tochter spielt auf dem Klavier ›Das Gebet einer Jungfrau‹, ein Diwan, »wollen Sie etwas Sahne«, kein Mensch liest Gedichte usw.
    Die einzige Unannehmlichkeit: in den Spiegelungen verwandelt sich das kleine Löchlein in deiner Hose in ein tellergroßes Loch, welches mit der rechten Hand verdeckt werden muß, so daß der Tee nur mit der li n ken umgerührt werden kann. Und die Hausfrau sagt mit einem bezaubernden Lächeln: »Sie sind sehr nett und interessant, nur warum kaufen Sie sich keine neue Hose? Und gleich eine Mütze dazu ...«
    Auf dieses »gleich dazu« hin verschluckte ich mich, und das skrofulöse ›Gebet einer Jungfrau‹ klang mir wie eine Danse macabre.
    Da läutete es an der Tür, und ich war gerettet.
    Ein Mann trat ein, vor dem alles verblaßte, sogar die silbernen Löffel erschauerten und wirkten klein und schäbig.
    Am Finger des neuen Gastes strahlte etwas, das an das Kreuz auf der Erlöserkirche bei Sonnenuntergang erinnerte.
    »Neunzig Karat ... das kann er nur aus dem Kro n schatz haben«, flüsterte mir mein Nachbar, ein Dichter, zu, der zwar in seinen Gedichten Edelsteine besang, wegen seiner bitteren Armut von Karaten jedoch übe r haupt keine Ahnung hatte.
    An dem Stein, der nach allen Richtungen verschi e denfarbige Strahlen aussandte, an der rötlichen Stola auf den Schultern der dicken Frau des Ankömmlings sowie an seinen flinken Augen erriet ich, daß ich einen Super-NEP-Mann vor mir hatte, der noch dazu wah r scheinlich aus dem Trust war.
    Die Hausfrau errötete, lächelte mit allen Goldkronen, begrüßte die Gäste überschwenglich, und ›Das Gebet einer Jungfrau‹ brach an der interessantesten Stelle ab. Dann begann ein lebhaftes Teetrinken, wobei der NEP-Mann im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand.
    Ich fühlte mich irgendwie beiseitegeschoben (was hat es schon zu bedeuten, daß er ein NEP-Mann war ... bin ich vielleicht kein Mensch?) und beschloß, ein G e spräch anzuknüpfen. Der Anknüpfungsversuch war erfolgreich.
    »Wieviel Gehalt bekommen Sie?« fragte ich den B e sitzer des Schatzes.
    Sofort trat man mir unter dem Tisch von zwei Seiten auf die Füße. Auf dem rechten Fuß spürte ich den Sti e fel des Dichters (ein abgetretener geflickter Absatz), auf dem linken – den Fuß der Hausfrau (ein spitzer franz ö sischer Absatz).
    Aber der Reiche war nicht beleidigt. Im Gegenteil, meine Frage schmeichelte ihm irgendwie ...
    Er richtete eine Sekunde lang seine Augen auf mich, und erst da bemerkte ich, daß sie wie zwei falsche Ze h ner aus Odessa aussahen.
    »Mhm ... mhm ... wie soll ich Ihnen sagen ... äh ... nicht der Rede wert. Zwei-drei Milliarden«, antwortete er und warf mir mit seinem Finger Lichtbündel zu.
    »Und was kostet Ihr Bri...?« begann ich und schrie vor Schmerz auf ... » ... Ihre Brille?!« rief ich, ganz außer mir, anstatt »Brillantring«.
    »Die Brille kostet 20 Zitronen«, antwortete der NEP-Mann verwundert, während ihm die Hausfrau mit den Augen bedeutete: »Achten Sie nicht darauf. Er ist ein Idiot.«
    Augenblicklich wurde ich aus dem Verkehr gezogen. Die Hausfrau zwitscherte los, doch dank meines glan z vollen Beginns blieb das Gespräch im Zitronensumpf stecken.
    Zuerst schlug der Dichter die Hände zusammen und stöhnte

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