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Wohnraum auf Raedern

Wohnraum auf Raedern

Titel: Wohnraum auf Raedern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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liebe.
     
    In der Redaktion, in dem engen Zimmer, waren alle grün vor Hitze – der Leiter der Redaktion, der Reda k teur, der Sekretär und noch zwei, die nur so da waren. Aus dem hölzernen Fenster schaute wie im Zoo die Vogelnase des Kassiers heraus.
    »Ziegel beiseite«, sagte der Leiter, »wo bleibt die ve r sprochene Erzählung?«
    »Stellen Sie sich vor, was passiert ist«, sagte ich frö h lich lächelnd, »eben ist mir auf der Straße die Uhr g e stohlen worden.«
    Alle schwiegen.
    »Sie haben mir für heute Geld versprochen«, sagte ich und sah plötzlich im Spiegel, daß ich wie ein über-fahrener Hund ausschaute.
    »Es ist kein Geld da«, sagte der Leiter trocken, und an den Gesichtern sah ich, daß Geld da war.
    »Ich habe einen Entwurf. Sie sind ein komischer Kauz«, begann ich mit Tenorstimme, »Montag um halb zwei bringe ich die Erzählung.«
    »Was für einen Entwurf?«
    »Mh ... In einem Haus lebte ein Geistlicher ...«
    Alle waren interessiert. Die zwei Untätigen hoben die Köpfe.
    »Und?«
    »Dann stirbt er.«
    »Eine Humoreske?« fragte der Redakteur und runze l te die Brauen.
    »Ja«, antwortete ich wie ein Ertrinkender.
    »Humoresken haben wir schon. Für drei Nummern. Von Sidorow«, sagte der Redakteur. »Haben Sie keine Abenteuergeschichte?«
    »Aber ja«, antwortete ich schnell, »natürlich habe ich eine.«
    »Erzählen Sie«, erweichte sich der Leiter.
    »Also ... Ein NEP-Mann fährt auf die Krim ...«
    »Weiter!«
    Ich drückte noch mehr auf mein krankes Hirn, etwas Saft tropfte heraus, und ich sprach: »Ja, und Banditen stehlen ihm einen Koffer.«
    »Wieviel Zeilen wird das?«
    »Zirka dreihundert. Vielleicht auch ... weniger. Oder mehr.«
    »Schreiben Sie eine Quittung für 20 Rubel, Benv e nuto«, sagte der Leiter, »aber bringen Sie die Geschic h te, ich ersuche Sie ernstlich darum.«
    Mit Genuß schrieb ich die Quittung. Das Hirn nahm allerdings keinerlei Anteil. Es war jetzt klein, verschrumpelt, von schwarzen erstarrten Rissen statt von lebenden Windungen durchzogen. Es war tot.
    Der Kassier wollte protestieren. Ich hörte seine schrille Vogelstimme: »Nichts gebe ich Ihrem Ciniselli. Er hat sowieso schon 60 Rubel zuviel bekommen.«
    »Geben Sie her«, befahl der Leiter.
    Voller Haß gab mir der Kassier einen knisternden glänzenden Zehnrubelschein und einen schwärzlichen mit einem Riß.
    Zehn Minuten später saß ich bei Filippow unter Palmen im Schatten, neugierigen Blicken verborgen. Vor mir stand ein großer Krug Bier. »Machen wir einen Test«, sagte ich zum Krug, »wenn es nach dem Bier nicht zum Leben erwacht, ist es aus. Dann ist mein Hirn als Folge des Schreibens von Erzählungen gesto r ben und wird nicht wiedererwachen. In dem Fall ver-esse ich die 20 Rubel und sterbe. Dann können sie schauen, wie sie von mir als Leiche den Vorschuß z u rückbekommen. «
    Dieser Gedanke erheiterte mich, und ich nahm einen Schluck. Und noch einen. Nach dem dritten Schluck regte sich etwas Lebenskraft in den Schläfen, die Adern wurden straff, und die verdorrten Windungen im Kn o chengehäuse glätteten sich.
    »Lebst du?« fragte ich.
    »Ich lebe«, antwortete es flüsternd.
    »Also, dann denk dir eine Geschichte aus!«
    Da kam ein Gelähmter zu mir mit Taschenmessern. Ich kaufte ihm für eineinhalb Rubel eines ab. Dann kam ein Taubstummer und gab mir zwei Ansichtska r ten in einem gelben Couvert mit der Aufschrift: »Bü r ger, helft den Taubstummen.« Auf der einen Karte stand ein Tannenbaum in Schnee von Watte, auf der anderen war ein perlenbestreuter Hase mit riesigen Propellerohren. Ich ergötzte mich am Anblick des H a sen, in meinen Adern kreiste schäumendes Bierblut. Draußen stand gleißend die Hitze, der Asphalt schmolz. Der Taubstumme stand am Eingang des Cafés und schimpfte auf den Gelähmten: »Schau, daß du fortkommst von hier mit deinen Messern. Was für ein Recht hast du, in meinem ›Filippow‹ zu hausieren? Geh ins ›Eldorado‹!«
    »Nehmen wir folgendes an«, begann ich feurig, »die Straße dröhnt, ein Motorrad fährt mit Nachtigalleng e pfeife vorbei. Ein gelbes umflochtenes Grab mit spi e gelnden Gläsern (ein Autobus)! ...«
    »Geht schon ganz gut«, bemerkte das kräftiger we r dende Hirn, »bestell noch ein Bier, spitz den Bleistift und mach weiter ... Inspiration, Inspiration.«
    Nach einigen Augenblicken ergoß sich die Inspiration vom Podium herab, begleitet von einem Militärmarsch von Schubert-Taussig, Tellerklappern und dem Klang des

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