Wolf Diaries - Erlegen: Wolf Diaries 3 (German Edition)
binden.
Bekannt als grausame Einzelgänger, verbrachten die meisten männlichen und weiblichen Tiger, abgesehen von den gelegentlichen wilden Paarungen, wenig Zeit miteinander.
Doch die Vorislavs waren nicht wie andere Tiger aufgewachsen. Nicht bei dem Vater, mit dem der gute Gott sie gestraft hatte. Die anderen Verwandten nannten seinen Vater nicht einmal exzentrisch. Sie nannten ihn seltsam. Die weniger Freundlichen nannten ihn einen Freak. Ein Freak unter Freaks. Und er war Niks Samenspender.
Nik wusste, er sollte, wenn er von der Jagd kam, seine Geschwister niemals in seiner Küche vorfinden. Dabei, sein Essen zu essen und sein Bier und seinen Kaffee zu trinken. Und wenn es so wäre, sollte er sie nicht am Leben lassen. Doch er tat es. Der alte Mann hatte darauf bestanden, seit sie ganz klein waren. Er hatte von Anfang an eine Familie haben wollen und tat alles, was dazu nötig war. Er rühmte sich zweier Dinge: den Vietnamkrieg überlebt zu haben und dafür zu sorgen, dass alle seine Kinder von derselben Frau waren.
Ersteres verstand Nik. Aber das Zweite wollte ihm nicht in den Kopf. Es gab wenige Tiger, wenn überhaupt, die in ihrem Leben nur mit einer Tigerin Nachwuchs zeugten. Die meisten Tigerfamilien bestanden aus Halbgeschwistern. Aber nicht seine. Es war nicht so, als hätte seine Mutter keine anderen Männer gewollt. Aber wenn ihr einer zu nahe kam, stellte sein Vater sicher, dass er nichts und niemandem mehr nahekam.
Wenn man seine Eier behalten wollte, hielt man sich von »Vorislavs Weibchen« fern – das war der Spitzname seiner armen Mutter in der Tiger-Gemeinschaft.
Nik hasste seinen Vater nicht. Er verstand ihn einfach nicht. Er hatte auf jeden Fall kein Bedürfnis, zu sein wie er. Sicher, er hatte noch nie wie Ban den Wunsch gehabt, eigenen Nachwuchs zu haben, aber sein sexueller Hunger war genauso gesund wie der seiner anderen Geschwister. Um also dem Albtraum einer fruchtbaren Tigerfrau zu entgehen, hatte er seine freie Zeit damit verbracht, sich von anderen Katzen zu holen, was er brauchte. Löwenfrauen waren großartig, denn sie zeugten nur mit ihresgleichen Nachwuchs. Deshalb kamen sie zu ihm, wenn sie einfach nur sexuelle Bestätigung brauchten oder wollten. Dasselbe war es mit Leopardinnen und Schakalinnen.
Doch Menschen mied Nik wie die Pest. Sie konnten genauso schlimm sein wie Wölfe. Manche waren zufrieden damit, von Bett zu Bett zu hüpfen. Doch zu viele andere wollten ihr Leben einer Person widmen. Für immer! Warum zum Henker sollte man das tun? Warum zum Henker tat es sein Vater?
Nein. Er musste sich von Angelina Santiago fernhalten. Sehr weit entfernt.
Was natürlich nicht so einfach war, wenn sie in seinem Haus lebte – wenn auch nur vorübergehend. Wenn sie mit diesem halb verrückten Blick durch die Küchentür kam, auf ihn zustürzte und sein T-Shirt mit diesen weichen, kühlen Händen packte.
Ja, schon wieder ein Problem, das nur auf ihn wartete.
»Wo ist er?«, wollte sie wissen.
»Wo ist wer?« Er hätte gern ihre Hände von seinem Shirt gelöst, aber wenn er sie noch einmal berührte …
»Der Fernseher. Wo ist er?«
»Ich habe keinen.«
»Was meinst du damit, du hast keinen?« Die Panik war ihr anzumerken. »Welcher erwachsene Mann hat keinen Fernseher?«
»Einer, der lieber liest.«
»Lesen?« Er liebte ihr Gesicht. Vor allem, wenn sie so wunderschön perplex aussah.
»Ja. Ich lese. Ich habe eine Menge Bücher, die du dir ausleihen kannst.«
Sie verzog angewidert das Gesicht. »Was? Sehe ich etwa aus wie Miki?«
Sie ließ ihn los und stürmte wieder hinaus.
Er starrte die Tür an, durch die sie verschwunden war. »Wer zum Henker ist Miki?«
Verärgert knurrend wanderte Angie durch Niks Haus. Sie waren allein. Seine Familienmitglieder waren schon lange weg. Nur sie, der Hinterwäldler und Bücher. Bücher!
Sie schüttelte den Kopf und betrat einen Raum, den sie für die Bibliothek und sein Büro hielt. Eine Wand bestand aus einem deckenhohen Bücherregal. Es war vollgestopft mit Büchern, und sogar auf den Büchern waren noch Bücher gestapelt. An der anderen Wand stand ein genauso hohes Regal, das voller CDs und tatsächlich Vinylalben war. Sie stürzte sich auf die Musik. Er hatte sie chronologisch geordnet, angefangen mit Sachen aus den Fünfzigern. Sie runzelte die Stirn. Eindeutig ein großer Elvis-Fan.
»Kein Fernseher. Und Elvis. Kann es noch furchterregender werden?« Als sie die verschiedenen Jahrzehnte durchging, stieß sie schließlich
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