Wolf Shadow 01 - Wilks, E: Wolf Shadow 01
und dann fiel ihm nichts Besseres ein als: „Wie kommst du darauf, dass sie hübsch ist?“
Wieder ein tiefes, raues Kichern. „Vor anderen magst du ja so einiges verbergen können, aber ich bin nicht nur dein Rho, sondern auch dein Vater. Glaubst du, ich merke es nicht, wenn du eine Frau attraktiv findest?“
Isen hatte noch mehr Fragen und Anweisungen, aber Rule war nur halb bei der Sache. Seine andere Hälfte flehte ihn an, Isen zu sagen, dass er Lily Yu nicht aus einem solchen Grund verführen konnte und dass sie … dass sie vielleicht … Aber er wusste es nicht genau. Eine Ahnung war noch kein Beweis.
„Wie dem auch sei“, sagte er schließlich, „es wäre hilfreich, wenn ich ihr von unserem Verdacht erzählen könnte.“
„Du erzählst ihr gar nichts!“, fuhr Isen auf. „Sie würde dir nicht glauben. Es würde dir nur erschweren, ihr Vertrauen zu gewinnen.“
„Du klingst, als hätte Nettie dich doch zu früh aus dem Heilschlaf geholt.“
„Ihr denkt alle, ihr wüsstet mehr über meinen Körper als ich …“, entgegnete Isen. „Ja, verdammt“, sagte er zu Nettie, deren Stimme im Hintergrund zu hören war. „Ich weiß, dass du einen Wisch hast, der bestätigt, dass du Bescheid weißt. Glaubst du, davon lasse ich mich beeindrucken?“
Rule konnte sich gut vorstellen, wie Nettie am Bett ihres Patienten stand und die Arme vor der Brust verschränkte. Er hörte sie sagen, sie wisse sehr viel mehr über Isens Körper als er selbst und dass er froh darüber sein könne, weil er nämlich ein Idiot sei.
„Wir sind doch nur besorgt um dich, weil du deine Grenzen nicht zu kennen scheinst“, versuchte Rule ihn zu besänftigen. Der aufbrausende Ton seines Vaters beunruhigte ihn, denn er war eigentlich kein Querulant. „Abgesehen davon habe ich Angst vor Nettie. Sie hat mich aufs Übelste beschimpft!“
Sein Vater kicherte, wenn auch nur leise. „Du solltest auch Angst vor ihr haben! Was für ein Drachen … Nein, das lässt du bleiben“, sagte Isen, wobei Letzteres an Nettie gerichtet war, nicht an seinen Sohn.
Bei dem nachfolgenden Streit hörte Rule die Argumente beider Seiten. Nettie gewann. Ein paar Minuten später kam sie ans Telefon. „Ich habe ihn wieder in Schlaf versetzt. Und diesmal lasse ich ihn vierundzwanzig Stunden liegen.“
Rule fuhr sich mit der Hand über den Kopf. „Dann ist er ja hinterher völlig daneben. Aber wenn es nötig ist …“
„Rule, du hast seine Verletzungen doch gesehen! Es gibt zwar nichts, was er nicht heilen kann, doch bevor nicht noch mehr nachgewachsen und wieder in Ordnung ist, kann man seinen Zustand noch längst nicht stabil nennen. Aber vielleicht hast du es ja eilig, den Job deines Vaters zu übernehmen …“
Rule knurrte.
„Sei doch nicht so empfindlich! Es ist nun mal eine Tatsache, dass du der rechtmäßige Erbe bist. Wenn der Rho stirbt, übernimmst du seine Nachfolge. Und dann werden sich einige fragen, ob du es darauf angelegt hast.“
„Du wirfst mir nur ein paar knorpelige Brocken hin – viel zum Kauen, wenig Fleisch. Jetzt mal ehrlich: Wie steht es wirklich um ihn?“
„Er macht sich keine Illusionen. Und er ist besorgt. Und älter, als ihm lieb ist. Die Schmerzen sind zu viel für ihn, und er heilt nicht mehr so schnell wie früher. Er will nicht ins Krankenhaus – nein, das musst du mir nicht erklären! Ich verstehe das. Aber wenn er sich nicht von der modernen Technologie unter die Arme greifen lassen will, während seine Verletzungen heilen, dann muss er eben viel Zeit im Heilschlaf verbringen.“
Rule unterdrückte seine Angst. Einfach nur der Sohn seines Vaters zu sein war ihm jetzt nicht erlaubt. „Wenn es sein muss, dann muss es eben sein.“
„Ich hätte ihn gar nicht so früh aus dem Schlaf holen dürfen“, erklärte Nettie. „Aber er hat mich ausgetrickst. Er hatte seine Vitalfunktionen so gut unter Kontrolle, dass … Ach, egal. Mach dir keine Sorgen! Dein Vater wird wieder gesund, und bis es so weit ist, regelt der Rat alles, was so anfällt.“
Verdammt, Rule wünschte, er könnte zu Hause bei seinem Vater sein. Die Regeln untersagten ihm zwar, sich in die Nähe seines Vaters zu begeben, solange er genas, doch das Clangut an sich war ihm eigentlich nicht verboten. Dass er es trotzdem nicht aufsuchen konnte, daran war sein älterer Bruder schuld. Ob Benedict dem Lu Nuncio tatsächlich den Zugang zum Clangut verwehren konnte, war theoretisch anzweifelbar, aber in der Praxis sah es anders aus. In Bezug auf
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