Wolf Shadow 01 - Wilks, E: Wolf Shadow 01
fahren, in der Fuentes angeblich zur Chorprobe war. Kirche der Glaubenstreuen heißt sie.“
Randall zog die Augenbrauen hoch.
„Ja, Sir, klingt schon ein bisschen komisch. Eher nach einer Sekte. Sie verehren irgendeine Göttin und nennen sich Azá.“
„Die Azá – von denen habe ich schon gehört. Die haben oben in L.A. einen Tempel oder so etwas. Es gab dort vor einiger Zeit Ärger mit einer Fundamentalistengruppe, aber ich erinnere mich nicht mehr an die Einzelheiten.“
Lily nickte und nahm sich vor, mehr darüber in Erfahrung zu bringen.
„Und was machen Sie heute Vormittag noch?“
„Ich nutze meine Verbindungen zur übernatürlichen Gemeinschaft“, entgegnete Lily, ohne eine Miene zu verziehen.
Ein verschmitztes Funkeln lag in Randalls Augen. „Tun Sie das, Detective!“ Er nahm ihren Bericht, stauchte die Blätter mit der Unterkante auf die Tischplatte, bis sie ordentlich übereinanderlagen, und signalisierte damit, dass das Gespräch beendet war. „Die Reporter werden an Ihnen kleben wie die Schmeißfliegen. Schicken Sie sie nach oben. Geben Sie selbst keine Interviews!“
„Das … hatte ich nicht vor.“
„Gut. Ihr Bericht ist nicht sehr lang“, sagte er. „Aber unter den gegebenen Umständen ist das in Ordnung. Denken Sie daran, dass Ihre Berichte alle in Kopie ans FBI gehen.“
Wollte er damit sagen, dass Sie nicht alles hineinschreiben sollte? Aber sie hatte in ihren Berichten noch nie ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten erwähnt. Sie sprach das Thema auch nie direkt an. Genauso wenig wie er. Was meinte er also?
Irgendetwas war hier los. Sie wusste nur nicht, was. „Ja, Sir. Sagen Sie, gibt es vielleicht etwas, das ich über die beiden Agents wissen sollte?“
„Sie sind süchtig nach Ruhm. Besonders Croft. Der geht alles mit wilder Entschlossenheit an. Er wird immer wieder versuchen, Sie auszuquetschen. Lassen Sie das nicht zu“, entgegnete Randall. „Hier, bitte“, sagte er dann und reichte ihr ein Formular. „Sie müssen spezielle Munition und Fixierhilfen anfordern. Die Bleistiftspitzer von oben bestehen darauf, dass ich das absegne – alles ziemlich teuer, wegen des hohen Silberanteils. Und jetzt gehen Sie, und retten Sie Laurens Tag!“ Mit einer Handbewegung entließ er sie.
Lily betrachtete stirnrunzelnd den Ordner, den sie gerade zugeklappt hatte. Es stand viel Interessantes in dem Dossier, das ihr die Männer von der MCD überlassen hatten, aber eine Sache beschäftigte sie ganz besonders.
Rule Turner hatte ein Kind. Einen achtjährigen Sohn. Das Sorgerecht hatte zwar die Mutter, aber sie war Reporterin und ständig unterwegs. Sie hatte den Jungen bereits vor Jahren in die Obhut ihrer Mutter gegeben.
So etwas war in diesen Zeiten nicht ungewöhnlich. Die Mutter war zu beschäftigt, um Mutter zu sein, und der Vater hatte auch etwas Besseres zu tun. Hollywood-Partys besuchen und im Club Hell herumhängen zum Beispiel.
Sich darüber aufzuregen war albern, sagte Lily sich, stand auf und öffnete ihren großen Aktenschrank. Was ging es sie an, wenn Turner sich nicht um seinen Sohn kümmerte? Dann war er eben ein Mistkerl, aber er war längst nicht der einzige Mann mit Defiziten auf diesem Gebiet. Eine gewisse Verantwortung hatte er immerhin übernommen: Er zahlte Unterhalt, und der Junge verbrachte jeden Sommer in der Enklave der Nokolai, wo er seinen Vater vermutlich hin und wieder zu sehen bekam.
Aber das genügte nicht.
Lily schüttelte ungehalten den Kopf. Reine Zeitverschwendung! Sie hatte Besseres zu tun, als sich mit Turners Fehlern auseinanderzusetzen. Sie musste die Akten aller Fälle heraussuchen, die in absehbarer Zeit gelöst werden konnten, und sie an die Kollegen verteilen. Und sie musste unbedingt in ihren Kalender schauen. Irgendwie und irgendwann musste sie Zeit für diese Anprobe finden.
Aber während sie die Akten aus dem Schrank nahm, dachte sie weder an die Hochzeit ihrer Schwester noch daran, wie Lauren im Fall Meyers vorgehen würde. Sie grübelte vielmehr darüber nach, ob sie gerade gelinkt worden war.
Die Vorstellung behagte ihr ganz und gar nicht. Sie tippte nachdenklich mit dem Finger auf die Akte, die sie gerade aus der Schublade gezogen hatte. Sie hatte immer gedacht, Captain Randall sei ein fairer Mensch und ein guter Cop. Verdammt, sie vertraute ihm. Das lag natürlich zum Teil an den Geschehnissen der Vergangenheit. Er war damals noch Streifenpolizist gewesen und sehr freundlich und sie acht Jahre alt und traumatisiert. Aber
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