Wolf Shadow 01 - Wilks, E: Wolf Shadow 01
sich bis in die Gegenwart fort. Es gab immer noch so viele Vorurteile, und man beschäftigte Sensitive nach wie vor gern, um Leute zu „outen“, die guten Grund hatten, ihre Gabe oder Abstammung geheimzuhalten.
„Eigentlich bin ich hergekommen, weil ich genau darüber mit dir reden wollte. Über meine sensitiven Fähigkeiten, meine ich. Und über Lupi.“
„Ich habe es in der Zeitung gelesen. Du bist mit diesem Mord beschäftigt, nicht wahr?“ Die Großmutter wechselte ins Englische, das sie hervorragend beherrschte. Allerdings hatte sie einen ebenso grausamen Akzent wie Lily im Chinesischen. „Mit dem Fall, meine ich. Du arbeitest an dem Fall, nicht wahr?“
„Ich leite die Ermittlungen. Und ich muss mehr über Lupi wissen.“
Die Großmutter tippte mit einem ihrer langen lackierten Fingernägel an ihre Tasse. „Das ist der Gefallen, um den du mich bitten willst? Ich soll dir etwas über Lupi erzählen?“
Lily wählte ihre Worte mit Bedacht. Bestimmte Dinge sprach man nicht direkt an. „Ein bisschen weiß ich natürlich schon. Aber es gibt so viele Geschichten. Du musst mir helfen, Mythos und Wahrheit zu trennen. Lupi leben in Familien oder Clans zusammen …“
„Eh! Ich weiß nicht viel über diese Clans. Lupi sind ein verschlossenes Volk.“
„Ja, aber … du kannst mir helfen zu verstehen, was sie können und wo ihre Schwächen liegen. Sie sind schnell. Das weiß ich. Aber wie schnell? Ich habe einen Bericht gelesen, in dem stand, dass sie in Wolfsgestalt hundertsechzig Kilometer in der Stunde laufen können.“
Die Großmutter fing an zu lachen. „Das sagen die Experten? Geparden sind vielleicht so schnell, aber Wölfe doch nicht!“
„Aber sie sind keine gewöhnlichen Wölfe.“
„Nein, aber Geparden sind sie auch nicht.“ Der Großmutter tränten beinahe die Augen vor Lachen, und sie betupfte sie vorsichtig mit dem Finger.
„Sie sind allerdings – und das weißt du ja selbst! – sehr reaktionsschnell. Zweimal so schnell wie ein Mensch? Dreimal so schnell? Ich weiß es nicht genau und will mich jetzt nicht festlegen, aber auf jeden Fall sind sie sehr viel schneller als Menschen“, erklärte sie. „Wenn sie wollen“, fügte sie immer noch sehr erheitert hinzu. „Sie laufen ja nicht die ganze Zeit zum Endspurt bereit herum.“
Zweimal so schnell wie ein Mensch würde schon genügen, dachte Lily. „Und welches sind ihre Schwächen?“
„Sie können kleine, geschlossene Räume nicht ertragen. Sie in eine Zelle zu sperren wäre keine gute Idee. Da können sie regelrecht verrückt werden.“
Ein ganzes Volk mit Klaustrophobie? „Ihnen wachsen Körperteile wieder nach, nicht wahr? Deshalb wurden die registrierten Lupi auf der Stirn tätowiert. Als man ihnen die Nummern anfangs auf die Hände tätowiert hat, haben die Lupi sie sich einfach abgehackt, um neue nachwachsen zu lassen.“
Die Großmutter zuckte mit den Schultern. „Manchmal haben die Experten tatsächlich recht.“
„Was hat es mit den Geschichten über ihre … äh … Verführungskräfte auf sich? Ist an dem Gerücht etwas dran, dass sie Frauen regelrecht verzaubern können?“
Die Großmutter schnaubte. „Sie sind große Verführer, aber das hat nichts mit Zauberei zu tun. Es sei denn, man nennt es Zauberei, wenn ein Mann weiß, was eine Frau möchte.“ Dieser Gedanke schien sie zu amüsieren. „Nun, vielleicht ist es das ja auch. Macht dir etwa ein Lupus den Hof, mein Kind?“
„Ich treffe mich heute mit einem, wegen des Falls.“ Lily runzelte die Stirn und strich sich das Haar hinter die Ohren. Sie hatte auch eigentlich nicht geglaubt, dass sie verzaubert worden war … aber was war nun wirklich geschehen? „Kann ein Lupus irgendwie seine magischen Kräfte verlieren? Durch einen Fluch vielleicht oder eine Art magischen Unfall? Kann ein Lupus ohne Magie überhaupt ein Lupus sein?“
„Was?“ Die Großmutter richtete sich auf und sah sie so streng an wie eine Katze, der man das falsche Futter vorgesetzt hat. „Das musst du mir genauer erklären!“
„Ich habe ihm die Hand geschüttelt. Dem Prinzen der Nokolai. Als ich ihm die Hand gab, habe ich nichts gespürt.“ Das war so natürlich nicht ganz richtig. Lily errötete. „Keine Magie, meine ich. Und ich möchte wissen, warum. Wenn meine Fähigkeiten nachlassen …“
„Das solltest du eigentlich besser wissen! Du kannst einen Arm verlieren oder ein Bein, aber was du bist, kannst du nicht verlieren.“
„Aber was war denn dann los?“, rief
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