Wolf Shadow 01 - Wilks, E: Wolf Shadow 01
sie hatte gesät und gepflanzt. Eines Tages hatte es in ihrem Beet geblüht. Und sie hatte gelernt, dass das Leben weitergeht. Die einen lebten, die anderen starben, aber das Leben ging weiter.
Lily hatte danach noch viele weitere Beete angelegt. Gartenplanung machte Spaß. Pflanzarbeiten waren äußerst befriedigend, und dabei zuzusehen, wie ein Garten zum Leben erwachte, erfüllte sie so sehr wie nichts anderes. Aber manchmal musste sie einfach hacken und rupfen und hacken und rupfen.
Captain Randall hatte behauptet, er habe sie nicht informiert, weil sie mit Rule unterwegs gewesen war. Er habe Angst gehabt, dass sie Rule ungewollt einen Wink geben und damit sich selbst und die geplante Festnahme gefährden könnte. Mech hatte es ihr sagen sollen, sobald sie am Tatort erschienen war, aber er war mit seiner Zeugin beschäftigt gewesen. Mit Ginger Harris.
Die gelogen haben musste. Aber warum?
Lily schüttelte den Kopf. Mit dieser Frage würde sie sich später beschäftigen.
Randalls Befürchtungen wären weniger beleidigend gewesen, dachte sie und rammte den Handspaten wieder in die Erde, wenn er gewusst hätte, dass Lupi hören konnten, was am anderen Ende der Leitung gesagt wurde, wenn man in ihrer Nähe telefonierte. Aber das wusste er nicht. Er hatte befürchtet, dass Rule ihre Angst riechen würde. Er hatte ihr nicht zugetraut, dass sie einen plötzlichen Anfall von Nervosität überspielen konnte.
Oder er hatte gelogen.
Kann sein, dass ich in Rules Nähe wirklich Angst habe, dachte Lily und riss eine besonders hartnäckige Sterndistel aus. Aber nicht aus dem Grund, den der Captain vermutete. Rule hatte Therese nicht getötet – obwohl sie bis dahin noch niemanden davon hatte überzeugen können. Ihr Wort genügte natürlich nicht.
Der Captain hatte Mech eine disziplinarische Verwarnung erteilt, allerdings nicht wegen der voreiligen Beantragung des Haftbefehls, sondern weil er die Festnahme nicht korrekt durchgeführt hatte.
Die meisten Polizeibeamten hatten keine Erfahrung mit der Festnahme von Lupi. In Kalifornien waren sie nicht verhaftet worden. Sie waren von den X-Einheiten gejagt und dann eingefangen oder getötet worden. Aber alle waren über die korrekte Vorgehensweise bei der Festnahme eines Lupus informiert worden, und Mech hatte sich nicht an die Vorschriften gehalten. Die Geschichte hätte mit dem Tod mehrerer Beamter enden können.
Stattdessen hatte sie damit geendet, dass Rule in Handschellen abgeführt worden war.
Lily brannten die Augen. Vor Wut? Oder kamen ihr die Tränen? Man hatte ihn in einen Käfig eingesperrt wie ein wildes Tier – anders konnte man es nicht sagen. Städte von der Größe San Diegos verfügten über separate Einrichtungen für Andersblütige. Es war zu gefährlich, sie mit gewöhnlichen Häftlingen zusammenzulegen, und es waren besondere Vorkehrungen nötig, damit sie nicht ausbrechen konnten.
Rule war nun in eine von den zweimal zwei Meter großen Stahlboxen eingesperrt, die für Lupi und andere seltenere übernatürliche Wesen vorgesehen waren. Ihre Großmutter hatte gesagt, Lupi seien klaustrophobisch und dass sie durchdrehten, wenn man sie einsperrte. Und diese Zellen waren so verdammt klein …
Lily erschauderte und stach das nächste Grasbüschel aus. Sie wusste, was für ein Horror es war, auf engstem Raum gefangen zu sein.
Kein Richter würde einen Lupus gegen Kaution freilassen, der des Mordes angeklagt war. Rule musste in dem Metallkäfig hocken, bis sie beweisen konnte, dass jemand anderer Therese getötet hatte.
Und das würde sie beweisen. Irgendwie.
Also dann, dachte sie, richtete sich auf und betrachtete ihr Schlachtfeld, das mit Gras- und Unkrautleichen übersät war. Genug gebrütet! Jetzt zurück zu den Tatsachen und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten. Sie musste sich darüber klar werden, was in dieser Situation das Richtige war und was auf dem Spiel stand. Und dann musste sie eine Entscheidung treffen.
Sie begann vorsichtiger zu graben. Zwischen den Gauklerblumen hatten sich diverse Unkräuter angesiedelt. Sie lockerte den Boden und rupfte einen Sämling nach dem anderen aus.
Tatsache war, Captain Randall wollte dem FBI nicht sagen, dass der Mord einen magischen Hintergrund hatte. Dafür gab es drei mögliche Erklärungen. Erstens: Er glaubte ihr ganz einfach nicht. Vielleicht dachte er, sie habe gelogen, oder er dachte, sie irre sich. Vielleicht fiel es ihm auch schwer, an etwas zu glauben, das er selbst nicht wahrnehmen
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