Wolf Shadow Bd. 2 - Magische Versuchung
vom Tatort entfernen wollen.
Eigentlich eine vernünftige Überlegung, vom Standpunkt eines Polizisten aus, dachte Rule. Aber er ließ Lily nicht allein. Schließlich hatte der Polizist das akzeptiert, wobei unklar blieb, ob es an Lilys frisch geprägter FBI-Marke lag, der Tatsache, dass sie früher in der Mordkommission gewesen war, oder Rules Weigerung, zu gehen.
Er rieb sein Kinn an ihrem Haar und versuchte, noch mehr von ihr einzuatmen. Und hielt inne. „Du riechst komisch.“
„Bitte!“ Sie lehnte sich zurück. „Keine Witze mehr über verschwitzte Socken.“
„Nicht auf diese Weise komisch.“ Rule beugte sich vor, schnüffelte ihre Schulter hinunter und die Schlinge entlang, die ihren linken Arm hielt. Dort war der Geruch am stärksten.
„Könntest du versuchen, dich ein bisschen weniger merkwürdig aufzuführen?“
„Stell dir vor, ich würde mit dem Schwanz wedeln, und schon sieht alles viel normaler aus.“ Er atmete tief ein und versuchte, den sonderbaren Geruch aus den anderen herauszufiltern. „Ich kann ihn nicht einordnen“, sagte er und richtete sich wieder auf. „Nicht in dieser Form.“
„Vielleicht riechst du das, was auch die Spuren hinterlassen hat, die ich auf dem Boden gefühlt habe.“
Lilys Tastsinn war außerordentlich gut entwickelt, was vielleicht eine der seltensten Gaben überhaupt war, und ungewöhnlich stark. Magie konnte ihr nichts anhaben, aber sie konnte sie spüren, selbst eine noch so schwache Spur, die ein vorbeiziehendes übernatürliches Wesen hinterlassen hatte. Er zog die Augenbrauen hoch. „Was hast du gespürt?“
„Es war sonderbar. Irgendwie … orange.“
„Was mir wenig sagt.“
„Mir sagt es auch nicht viel.“ Sie schüttelte den Kopf. „Magie fühlt sich an wie ein Stoff, nicht wie eine Farbe, und doch … ich kann es nicht erklären. Ich habe noch nie zuvor so etwas gespürt.“
Sie sah beunruhigt aus, aber Rule fühlte sich erleichtert. „Es fühlte sich also nicht wie dieser verdammte Stab an?“
Bevor sie antworten konnte, wurden sie von einer Stimme abgelenkt.
„Tut mir leid, Ma’am, da dürfen Sie nicht rein.“
Es war der Polizeibeamte, der neben der Tür stand. Eine vertraute weibliche Stimme antwortete mit einem Wortschwall auf Chinesisch, dann ertönte eine andere vertraute Stimme – Julia Yu. „Ich habe dir gesagt, dass sie dich nicht reinlassen würden. Wenn sie nicht einmal ihre eigene Mutter hineinlassen, werden sie wohl kaum eine Ausnahme bei ihrer Großmutter machen.“
Lily seufzte und löste sich aus seiner Umarmung. „Großmutter, der Mann tut nur seine Pflicht. Du darfst ihn nicht deswegen verfluchen.“
„Ich verfluche, wen ich will. Komm jetzt da raus.“
Die alte Dame, die sich neben dem stämmigen Beamten aufgebaut hatte, war knapp eins fünfzig groß. Ihr Kleid war rot, knöchellang und von orientalischem Schnitt. Das schwarze, von Silber durchzogene Haar war straff nach hinten in einem Knoten zusammengefasst, der von zwei genau gleichen Emailstäbchen gehalten wurde, und auf dem Ring an ihrem Finger prangte ein Rubin im Cabochonschliff. Trotz ihres hohen Alters hielt sie sich gerade wie ein junger Baum, aufrecht und kraftvoll, mit dem Stolz einer Königin.
Rule konnte Madame Li Lei Yu nicht ansehen, ohne an eine Katze zu denken. Sie wusste, sie hatte das Sagen, egal was die Idioten um sie herum denken mochten. Und gerade jetzt wollte diese Katze, dass sich eine Tür für sie öffnete. Auf der Stelle.
Lily warf Rule einen resignierten Blick zu und verließ den Toilettenraum. Er folgte ihr.
Am gegenüberliegenden Ende des Flures sprach ein anderer Polizeibeamter mit einer der Frauen, die sich über die geschlossene Toilettentür beschwert hatten. Essensgerüche zogen von der nahen Küche herüber, und die Geräusche der dinierenden Gäste in den öffentlichen Räumen des Restaurants wetteiferten mit dem Gemurmel, das aus den Räumen der Hochzeitsgesellschaft drang.
Hier, unter dem misstrauischen Blick des Streifenpolizisten, bildeten drei Frauen ein Dreieck, mit der ältesten und kleinsten an seiner Spitze. Julia Yu, die mittlere, berührte mit besorgtem Blick ihre Tochter an der Schulter. Lily lächelte sie beruhigend an und wandte sich ihrer Großmutter zu. „Hier bin ich, wie befohlen.“
„Oho! Mich kannst du nicht täuschen. Du kommst, weil du ohnehin fertig warst.“
Zwei Paar dunkle Augen trafen sich – die einen von Falten umrahmt, die anderen von junger, glatter Haut. Die beiden Frauen
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