Wolf Shadow Bd. 2 - Magische Versuchung
eines Exorzismus wären der beste Weg, um herauszufinden, ob Lily tatsächlich von einem Dämon besessen war. Sollte die Antwort positiv ausfallen, konnte sie immer noch tiefer einsteigen.
Also hatte Nettie um einen Raum gebeten, in dem sie ein „komplizierteres Verfahren, für das wir ungestört sein müssen“ anwenden konnte. Was für ein Verfahren das sein würde, hatte sie nicht gesagt. Es gab keinen Grund, die Karten auf den Tisch zu legen, wenn es nicht notwendig war. Unglücklicherweise hatte eine Krankenschwester ihre Unterhaltung gehört und sie an den Oberarzt der Notaufnahme verpetzt, was wiederum den stellvertretenden Direktor des Krankenhauses auf den Plan gerufen hatte.
Lily wusste nicht zu sagen, ob der Mann befürchtete, sie sei tatsächlich besessen und würde in seinem kleinen Reich Amok laufen, oder ob er Angst hatte, die Presse bekäme Wind von einem angeblichen Exorzismus und das Krankenhaus würde sich lächerlich machen. Wohl eher Letzteres, vermutete sie. Viele Leute hielten Exorzieren für genauso überholt wie alte Landkarten, auf denen noch Meeresungeheuer abgebildet waren. Klar, Dämonen existierten, und dann und wann gelang es einem Irren, einen herbeizurufen, aber die Tore zur Hölle waren schließlich seit Jahrzehnten geschlossen.
Besessenheit? Also bitte … doch nicht heutzutage.
Doch Lilys Dienstmarke, Netties professionelle Art und Rules Name und Beziehungen – sein Clan besaß eine renommierte Anwaltskanzlei – hatten gemeinsam über die Bürokratie gesiegt. Gerade als Lily in ein Zimmer in den dritten Stock gebracht werden sollte, waren Karonski und Cynna Weaver aufgetaucht. Und Nettie war in die Kapelle gegangen, um zu beten.
Offenbar war das Gebet ein wichtiger Bestandteil des Rituals. Lily wusste nicht, was sie davon halten sollte. Nachdenklich betrachtete sie die Bettdecke. Gegen Religion hatte sie nichts. Aber damit betraten sie vermintes Gelände, oder etwa nicht? Jemand glaubte dieses und jenes, ein anderer wiederum dies und das, und bevor man es sich versah, schlug man sich deswegen die Köpfe ein. Sie hatte höchst ungern mit etwas zu tun, das so schwer zu fassen war.
„Tut deine Schulter weh?“, fragte Rule.
Er saß auf einem Stuhl neben dem Bett und hielt ihre Hand. Schnell ließ Lily die andere Hand sinken. Wieder hatte sie ihre Schulter massiert – so, wie man sich an Schorf kratzt oder mit der Zunge im Mund an der Stelle fühlt, an der vor Kurzem noch ein Zahn gewesen war. Nicht weil es Erleichterung verschafft, sondern weil etwas stört. „Eigentlich nicht.“
„Du bist nicht besessen.“
Das sagte er so ruhig, als sei er absolut davon überzeugt. Sie nickte nicht ganz überzeugt. „Ich glaube es auch nicht. Magie kann nicht in mich eindringen, wie sollte es dann ein Dämon können?“ Und doch hatte sie etwas um die Wunde herum gespürt. Etwas, das dort nicht hingehörte.
„Wahrscheinlich hast du recht“, sagte Karonski gelassen aus seinem Sessel bei dem Fenster, in dem er herumlümmelte, und fischte in einer Tüte nach den letzten Chips. Die Jalousien waren hochgezogen und ließen die Lichter der nächtlichen Stadt herein. „Bald werden wir Klarheit haben.“
Karonski hatte sein Jackett ausgezogen und über die Sessellehne gehängt. Vielleicht war ihm warm gewesen. Vielleicht wollte er aber auch nur schneller an seine .357 kommen, die in seinem Schulterholster steckte, falls Lily plötzlich grün werden und beginnen sollte, den Anwesenden die Gliedmaßen auszureißen.
Cynna ging im Zimmer auf und ab. Sie hatten angeboten, ihr einen Stuhl zu holen, aber sie hatte es abgelehnt. Eine von der ruhelosen Sorte, dachte Lily. Eine, die nicht gern wartete.
Das konnte sie ihr nachfühlen. „Ich verstehe ja, dass mein Wort euch nicht genügt. Aber ich weiß es. Wenn ich besessen wäre, würde ich es merken.“
„Möglich.“ Karonski griff tief in seine Tüte, runzelte die Stirn, und seine Finger brachten diesmal nur Krümel zutage.
„Und ich würde es auch wissen“, sagte Rule. Er drückte ihre Hand.
„Möglich“, wiederholte Karonski und schob sich einen weiteren Chip in den Mund.
„Ich habe den Dämon an der Tür gerochen. Wenn er in Lily wäre, würde ich es riechen.“
„Ach ja?“ Cynna blieb abrupt stehen. „Und wonach riecht es?“
„Gewürznelke und Autoabgase. So ungefähr.“
Karonski schüttelte den Kopf. „Wenn Ihr Schnüffeltest zuverlässig wäre, hätte Dr. Two Horses das gesagt.“
Lily wusste, dass Rule nicht nur
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