Wolf Shadow Bd. 4 - Finstere Begierde
schien seine Besucher gar nicht wahrzunehmen. Dann und wann wimmerte er. Einmal kicherte er.
Er hatte einmal gut ausgesehen, dachte Cynna. Muskulös, vielleicht ein wenig grobschlächtig. Jetzt war er ein bärtiger, windeltragender Idiot.
„Wir können ihn nicht hierbehalten“, sagte der Wirt. Er wischte sich immer wieder die Hände an seiner Schürze ab, als würde er sie sich in Unschuld waschen wollen. „Wir haben auf einen vorbeireitenden Ekiba gewartet, damit wir die Nachricht verbreiten und seine Leute finden können. Was mit ihm passiert ist, ist nicht unsere Schuld.“ Er schüttelte den Kopf. „Nicht, dass ich verstehen würde, was mit ihm passiert ist. Ich kann einfach nicht glauben, was Ihr mir über Bell erzählt habt, obwohl … nun ja, er ist tatsächlich gegangen, aber er war schon immer ein Herumtreiber.“
Laut Aussage des Wirtes und seiner Frau war dieser Mann vor drei Wochen bei ihnen erschienen und hatte für eine Nacht bezahlt. Als er am nächsten Tag nicht abreiste, hatten sie nach ihm gesehen und ihn in diesem Zustand vorgefunden. Am Tag vorher hatten sie ihn mit einem Jungen sprechen sehen, der ungefähr dreizehn Jahre alt war, Bell Hammon hieß und für sie gelegentlich kleinere Arbeiten erledigte. Hammond war ein Herumtreiber und stammte nicht aus diesem Dorf, hatte aber seit über einem Jahr hier gewohnt. Auf einmal jedoch war er verschwunden – nur Stunden bevor der Wirt seinen Gast in uringetränkten Laken seine Finger zählend gefunden hatte.
„Im Ahk-Gebiet treibt man sich nicht herum“, sagte Tash, „wenn man kein Dummkopf ist. Ihr sagt, Hammond wurde gesehen, als er auf dem Weg in die Berge war?“
Der Wirt nickte unglücklich. „Ich dachte, Derreck hätte sich geirrt. Es musste so sein. Bell ist nicht gerade helle, aber er ist nicht so dumm, Ahk-Land zu betreten. Ihr nehmt diesen Kerl doch mit, nicht wahr? Wir können ihn nicht hierbehalten.“
Cynna verließ das Zimmer und überließ es Bilbo, mit dem Wirt zu klären, wer die Verantwortung für diesen armen Mann hatte. Wenn man das, was von ihm noch übrig war, einen Mann nennen konnte.
Cullen kam ihr nach. „Lass uns ein wenig Luft schnappen.“
Sie nickte. Der Eintopf, der ihnen zum Abendessen serviert worden war, lag ihr schwer im Magen. Der Mann tat ihr so leid.
Sie gingen nicht weit. Es war kälter geworden, und in den Schnee, der durch die eisige Luft wirbelte, mischten sich Eiskörner. Doch die Veranda war überdacht, und es war windstill. In der kühlen, reinen Luft verging ihre Übelkeit.
Cynna stand am Geländer und sah zu, wie das Weiß des Schnees mit dem Schwarz der Winternacht verschmolz. Cullen stellte sich hinter sie. Er hatte sein magisches Licht nicht entzündet, sodass nur ihr kleiner Lichtball ein wenig Helligkeit verbreitete.
„Mir ist aufgefallen“, sagte er leise, „dass unser Dieb erst seinen Verstand verloren hat, nachdem er das Medaillon verloren hatte.“
Er hatte recht. Der Mann hatte es bis hierher geschafft. Dem Wirt war er ganz normal vorgekommen – bis zum nächsten Tag … „Die Erste Ehrenwerte Rätin sagte, dass das Medaillon den Verstand desjenigen frisst, mit dem es keine Verbindung herstellen kann. Sie sagte nicht, dass es erst dann passiert, wenn jemand anders das Medaillon in Besitz nimmt. Doch ganz so sieht es aus.“
„Vielleicht wollte sie nicht, dass wir auf die Idee kommen, es selbst zu behalten.“
Cynna erschauderte. „In die Versuchung komme ich ganz bestimmt nicht. Ich frage mich nur, warum dieser Bell Hammond es genommen hat. Woher wusste er überhaupt von seiner Existenz? Der Wirt hat es nicht gesehen. Dieser arme Mann hätte es dem Jungen doch sicher nicht gezeigt. Und selbst wenn, hätte Hammond nicht gewusst, was es war.“
Cullen schüttelte den Kopf. „Wir übersehen irgendetwas.“
„Sehr viel, vermute ich.“ Aber heute Abend war sie zu müde, um weiter darüber nachzudenken. Cynna seufzte. „Ich brauche Schlaf.“
Er legte die Arme um sie. „Es ist ganz schön voll in unserem Bett.“
Die Betten, hatten sie festgestellt, waren sehr groß … groß genug für drei Leute. Sogar noch mehr, wenn die Leute so groß wie Gnome waren. Und da es so wenige Zimmer gab, würden sie und Cullen ihr Bett mit Steve teilen. „Es hätte schlimmer kommen können. Wir hätten ja auch Gan als Bettnachbarin kriegen können.“
„Da hast du auch wieder recht. Ich wette, sie macht sich ganz schön breit. Ach übrigens … ich komme noch nicht mit dir mit.
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