Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
sehen wir nicht gerade sehr würdevoll aus«, sagte sie und betrachtete Hosenbein und Slip, die immer noch an ihrem linken Bein hingen. »Aber alles ist gut.«
Rule fand die Leiche in einer winzigen Lichtung um kurz vor elf.
Lily konnte kaum begreifen, dass er es tatsächlich geschafft hatte – natürlich war er in Wolfsgestalt gewesen. Sorgfältig hatte er den fünfundvierzig Meter langen Streifen abgesucht, der zwischen den Leichen und dem Picknickplatz lag, wo der Wiedergänger gestern Nacht aufgetaucht war.
Was für eine willkürliche Zahl: fünfundvierzig Meter. Wenn die Leiche nur zehn Meter weiter gelegen hätte, hätten sie sie vielleicht nicht gefunden.
Sie schickte nach der Spurensicherung – und dann schüttete sie das mitgebrachte Salz auf das Grab.
Rule sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. »Du willst die Leiche ausgraben.«
»Der Baron hat nicht gesagt, dass auch die Leiche mit Salz bestreut werden muss. Er hat nur von dem Grab geredet. Und das hier ist sein Grab.« Möglicherweise. Einen Versuch war es jedenfalls wert, und das nicht nur, weil der Baron es gesagt hatte. Sie dachte wieder an die Kälte … Fühlte der Wiedergänger sie ständig?
Und dann warteten sie. Falls der Wiedergänger in der Nähe war, spürte sie ihn nicht.
Rule war sich sicher, dass hier eine Leiche begraben war. Aber er wusste nicht mit Sicherheit, dass es ein Mensch war. Nach so langer Zeit konnte er das nicht mehr allein mit dem Geruchssinn feststellen. Möglicherweise hatte jemand auch seinen Hund hier draußen beerdigt. Aber das war, dachte Lily, nicht sehr wahrscheinlich.
Vielleicht hatten sie aber auch ein weiteres Opfer gefunden und nicht die sterblichen Überreste des Wiedergängers. Lily wusste nicht, wie sie das herausfinden sollten. Zeichen eines gewaltsamen Todes würden nicht genügen. Auch der Wiedergänger konnte ein Mordopfer gewesen sein. Das geheime Grab deutete zumindest darauf hin.
Als die Spurensicherung erschien, wies sie sie auf das Salz hin. Das trug ihr erstaunte Blicke ein, aber niemand protestierte laut.
Wer auch immer das Grab gegraben hatte, hatte sich sehr angestrengt. Die Kollegen hatten schon über einen Meter zwanzig tief gegraben und gruben immer noch – langsam und vorsichtig –, als Lily anbot, Erfrischungen zu holen. Bei der Ausgrabung konnte sie nicht helfen. Sie hatte nicht die entsprechende Ausbildung. Also ging sie zurück zum Wagen, der so nahe wie möglich geparkt war, in ungefähr siebenhundert Meter Entfernung. Dort fand sie eine Kühlbox mit Getränken.
Als sie zurückkam, rieb sich der Cheftechniker gerade mit dem Arm über die schweißbedeckte Stirn. Er sah auf, als sie vor ihm stand, und nahm die Coke, die sie ihm entgegenstreckte. »Sieht so aus, als hätte hier jemand seinem Bello ein würdiges Begräbnis gegeben.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.« Sie stellte die Kühlbox ab und trat näher an das Grab heran.
Rule stand am Rand und starrte hinunter. »Das ist kein Hund«, sagte er leise. »Das ist ein Wolf.«
»Woher wollen Sie das wissen?« Der Mann sah Rule skeptisch an. »Es ist zwar ein wenig Fell übrig und das könnte auch einem Wolf gehört haben. Aber auch einem Husky oder irgendeinem alten Straßenköter. Wenn wir es sicher wissen wollen, müssen wir die Knochen einschicken.«
»Es ist die Art, wie er beerdigt wurde.« Rule streckte den Arm aus und bog ihn zu einem Halbkreis. »Die Nase an der Schwanzspitze. Das ist die traditionelle Position, wenn einer von uns in Wolfsgestalt beerdigt wird. Wir legen unsere Toten nicht in Kisten.«
Lily berührte ihn am Arm. »Er ist also ein Lupus?«
Rule nickte. Er hatte eine ausdruckslose Miene aufgesetzt, wie immer, wenn in seinem Inneren zu viel vorging. »Ich glaube …« Unvermittelt sog er die Luft ein, als hätte er das Atmen vergessen. »Unter ihm müssten Sie Kleidung finden, möglicherweise sogar seinen Ausweis. Wenn einer von uns als Wolf stirbt, beerdigen wir auch seine menschliche Seite, indem wir ihm diese Dinge mit ins Grab geben.« Er sah sie an. »Deswegen war das Begräbnis geheim und der Tote auch nicht auf deinen Listen vermerkt. Wenn einer von uns als Wolf stirbt, kommt er nicht auf einen eurer Friedhöfe.«
»Aber … hier?« Sie deutete auf den Waldboden zu ihren Füßen. »Wenn er ein Leidolf ist, würde er dann nicht auf dem Clangut beerdigt werden?«
»Vielleicht war er hier gerne unterwegs und hat sich gewünscht, auch hier begraben zu werden. Vielleicht ist er kein Leidolf und
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