Wolf Shadow Bd. 5 - Tödliche Versprechen
seine Stirn gegen ihre. »Nach oben. Schnell.«
Oh ja. Lily gab ihm mit dem Mund ihre Zustimmung, aber auf andere Art als mit Worten. Seinem leisen, kehligen Knurren nach zu urteilen, gefielen ihm ihre Kommunikationsfähigkeiten.
Er stieg die Treppe hoch, die nur schwach von einem Nachtlicht auf dem Treppenabsatz und einem über ihnen an der Decke erleuchtet wurde. Ein wenig atemlos sagte sie: »Ich kann selbst gehen.«
»Es macht aber mehr Spaß, wenn ich dich trage.« Seine Finger taten interessante Dinge, um ihr zu zeigen, was er meinte.
»Wir sind nicht allein. Nicht allein genug . Mrs Asteglio könnte aufwachen.«
»Ich würde sie hören, bevor sie … Lily, wenn du nicht damit aufhörst, könnte eine Blaskapelle unbemerkt an mir vorbeimarschieren.«
Sie grinste, legte ihre Hand wieder auf seine Schulter und steckte die Nase in seine Halsbeuge, um seinen Duft einzuatmen. »Vielleicht solltest du mich doch lieber absetzen. Ich weiß nämlich nicht, ob ich mich zurückhalten kann.«
Widerstrebend gehorchte er. Nicht weil es ihm unangenehm gewesen wäre, beim Sex in der Öffentlichkeit überrascht zu werden, sondern aus Höflichkeit. Für einen Lupus war es unhöflich, Sex vor jemandem zu haben, der keinen Partner hatte. Und Mrs Asteglio könnte ja wirklich aufwachen.
Also hielten sie sich die letzten Stufen an den Händen und machten halt vor Tobys Tür, die nur angelehnt war. Lily hatte während seiner Besuche gelernt, dass man seine Tür immer einen Spalt offen stehen lassen musste – und es niemals erwähnen durfte. Wie sein Vater hasste auch Toby enge, geschlossene Räume. Und wie sein Vater leugnete auch er es hartnäckig.
Rule stieß Tobys Tür auf.
Lily warf ihm einen verwirrten Blick zu.
Mit drei schnellen Schritten war Rule an dem Bett, wo eine zusammengeringelte Gestalt unter der Decke zu liegen schien. Als er die Decke zurückzog, sah nun auch Lily, dass es nur ein paar Kissen waren.
Ein paar Augenblicke lang herrschte Stille, dann ging er zum Fenster. Es stand offen. Sie trat neben ihn und blickte hinunter auf das Verandadach. Der Ausstieg war für einen sportlichen Jungen ein Leichtes.
Rule seufzte. »Ich gehe nach draußen, um mich zu wandeln. Hier riecht es zu sehr nach ihm, um ihn in meiner jetzigen Gestalt zu finden.«
»Ich gehe und hole mein Schulterholster.«
Zum vierten Mal in vierundzwanzig Stunden – das dritte Mal seit Sonnenaufgang – bereitete Rule sich darauf vor, sich in einen Wolf zu wandeln. Er stand im Garten, den Boden unter seinen nackten Füßen und das schiefe Grinsen des Mondes über seiner Schulter. Lily wartete, in der Hand seine Kleider.
Es dauerte länger als gewöhnlich und war schmerzhafter. Als er fertig war, ließ er den Kopf hängen und holte tief Luft. Bereits jetzt fürchtete er den Wandel zurück zum Menschen. Er war müde. Von diesen vierundzwanzig Stunden hatte er, wenn es hoch kam, eine geschlafen, heute Nachmittag, mit seinem Sohn in den Armen. Einem Sohn, den er sich gerade jetzt sehr gerne vorgeknöpft hätte.
Es würde nicht leicht werden, Tobys Spur aufzunehmen. Nicht, wenn sein Geruch allgegenwärtig war. Rule trottete zuerst bis zum Gartentor … und blieb überrascht stehen.
Toby hatte das Gras neben dem Tor mit ein paar Tropfen seines Urins markiert – so als wäre er bereits ein Wolf…
Unruhe stieg in ihm auf. Bis zu diesem Moment war Rule verärgert gewesen, nicht besorgt. Jungen schlichen sich nachts aus dem Haus, das war normal. Besonders junge Lupi verspürten den Drang, die Nacht zu erkunden. Auf dem Clangut war das auch kein Problem. Sie lernten, immer ihren Weg zu markieren, für den Fall, dass sie sich einmal verliefen. Aber warum sollte Toby dies hier in der Welt der Menschen tun?
Offensichtlich wollte er, dass Rule ihm folgte. Aber warum … Rule glaubte, den Grund zu kennen, aber er musste sichergehen, dass Toby nicht dazu gezwungen wurde. Er überprüfte erneut das Gras in der Nähe des Tors auf der Suche nach einem anderen Geruch als Tobys.
Tobys Spur war frisch, keine zwei Stunden alt, und Rule fand darüber hinaus keine anderen kürzlich hinterlassenen Spuren. Er blieb stehen und, wie schon vor über zwanzig Stunden im Wald, konzentrierte er sich, um die beiden Mächte und seine verschiedenen Sinneseindrücke zusammenzuführen.
Sofort wurden die Gerüche deutlicher. Nein, Toby hatte keine Angst gehabt, als er hier entlanggegangen war. Also wollte er von Rule gefunden werden. Er hatte keine Angst, aber trotzdem
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