Wolf Shadow Bd. 6 - Blutmagie
Backblech mit Keksen, das der Bäcker in den Ofen schiebt – schnell und fließend, gefüllt mit frischen Tagen, um sie knusprig zu backen. Die Wetterexperten brummten etwas von „Inversionslage“, aber eigentlich wusste niemand so richtig, warum die Stadt unter dieser noch nie da gewesenen Hitze litt. Die Verkaufszahlen von Kohle und Grillzubehör gingen in den Keller, die von Alkoholika stiegen. Genauso wie die Zahl der Vergewaltigungen, häuslichen Schlägereien, Suizide und Autounfälle.
Und der Morde, selbstverständlich. Den Leuten war es zu heiß, um draußen zu grillen, aber nicht, um sich gegenseitig umzubringen. Lily Yu ging über den heißen Betonboden, ihre neuen roten Lackledersandalen in der Hand statt an den Füßen, und dachte darüber nach, was für ein seltsames Gefühl es war, in keiner dieser Schießereien, Stechereien oder Schlägereien zu ermitteln. Kurz vor der klebrigen roten Schicht, die auf der Straße backte, blieb sie stehen. Außer der Hitze und dem Splitt spürte sie nichts an ihren nackten Sohlen, und dabei hatte sie die Straße schon vier Mal überquert.
Aus der Schar der Schaulustigen, die sich auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt an der Ecke versammelt hatten, machte ihr ein Mann laut ein respektloses und reichlich unrealistisches Angebot. Lily seufzte.
„Bei der Hitze kommen die ganzen Verrückten aus ihren Löchern“, sagte der uniformierte Polizeibeamte, der neben dem Streifenwagen stand.
„So ist es“, sagte Lily und bückte sich, um erst in die eine, dann in die andere Sandale zu schlüpfen. Ihre Füße waren schmutzig, aber in ihrer Handtasche hatte sie Erfrischungstücher, sodass sie sie in ein paar Minuten würde säubern können. „Hier scheint es nichts für mich zu geben.“
Der Beamte nahm seine dunkelblaue Kappe ab, wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn und setzte die Kappe wieder auf. „Tut mir leid, dass Sie bei dieser Hitze hier rauskommen mussten, aber man hatte uns gesagt, wir sollten Ihren Leuten Bescheid sagen.“
„Das haben Sie ganz richtig gemacht. Mir war es wichtig, eines von diesen Ereignissen zu überprüfen, kurz nachdem es passiert ist.“ Nur nicht gerade heute, verdammt.
Genau genommen hätte sie gar nicht sofort vor Ort sein müssen. Heute war Samstag, und es war nach fünf Uhr – niemand hätte ihr einen Vorwurf gemacht, wenn sie bis morgen gewartet hätte. Niemand außer ihr selbst. Manchmal war es ganz schön lästig, gewissenhaft zu sein.
Lily betrachtete das verdrehte Fahrgestell des kleinen Honda, das die Auseinandersetzung mit dem Pick-up ganz offensichtlich verloren hatte. „Ich muss mir auch ihren Wagen ansehen. Das Steuer, das Armaturenbrett – alles, womit die Fahrerin in Kontakt gekommen sein könnte.“
„Nur zu. Wahrscheinlich müssen Sie so gründlich sein.“ Er schüttelte den Kopf. „Sie haben schon einen etwas seltsamen Job.“
„Ja“, sagte sie trocken und ging zu dem zerknautschten Honda.
Officer Munoz war klein und stämmig und hatte ein rundes, fröhliches Gesicht, dem ein Schnurrbart tapfer ein wenig Würde zu verleihen versuchte. Und er war jung. Schrecklich jung in Lilys Augen – was beinahe genauso beunruhigend war wie die Tatsache, dass sie Anrufen von Verrückten nachging, statt in Mordfällen zu ermitteln. Sie war selbst noch nicht einmal dreißig, herrje. Erst in acht Monaten.
Nein, in sieben Monaten. Du liebe Zeit. Das war nicht mehr lang hin. Sie runzelte die Stirn, als sie um das hellrote Getriebeöl herumging, das auf der Straße trocknete. Dann streckte sie die Hand nach der Fahrertür aus. „Na so etwas.“
Die Fahrerin war auf der anderen Seite aus dem Auto gezogen worden. Die Tür war ganz offensichtlich nicht mehr zu öffnen, aber Lily versuchte es trotzdem.
„Sie hatten wohl andere Pläne“, bemerkte Officer Munoz. „Sie haben so ein hübsches Kleid an.“ Er machte ein erschrockenes Gesicht. „Das hätte ich wohl nicht sagen sollen, was?“
„Schon gut. Ich fahre gleich weiter zu einer Babyparty. Ich bin eine der Organisatorinnen.“ Sie zog fester am Griff, aber die Tür rührte sich nicht.
„Echt?“ Seine Miene hellte sich auf, als er auf die Beifahrerseite ging. „Meine Frau und ich erwarten im Januar Nachwuchs.“
Dieses Kind war verheiratet? Hör auf damit, sagte sie sich, da kam ihr ein neuer Gedanke. Sah auch Rule sie manchmal an und fand, dass sie schrecklich jung war? Der Altersunterschied zwischen ihnen war sehr viel größer als der zwischen ihr und
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