Wolf Shadow Bd. 6 - Blutmagie
hatten. Wenn die Frau verhext oder verzaubert war, hätte Lily es gespürt.
Auch auf dem Sitz fand sich nichts. Sie erhob sich, wobei sie darauf achtete, ihr Kleid nicht mit den schmutzigen Händen zu berühren.
Rule reichte ihr das Päckchen mit Erfrischungstüchern aus ihrer Handtasche. Sie nahm eines und lächelte ihn an. „Ich wusste doch, dass du dich noch mal nützlich machen würdest.“
„Vergiss nicht die Gurkengläser.“
Ihr wurde warm ums Herz. Als er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte, hatten sie Gurken gegessen. Und Blinis und Käse. Dazu hatten sie einen köstlichen Dom Pérignon getrunken, aber dass er an die Gurken gedacht hatte, hatte sie gerührt. Sie lächelte, sagte aber nichts – konnte nicht sagen, was sie wollte, weil Munoz neben ihnen stand – und wischte sich die Hände ab. „Officer, mehr kann ich hier nicht tun. Es ist Ihr Fall. Vielen Dank für Ihre Kooperation.“
Ihre Haut kribbelte schwach, als würden sich bei einer statischen Ladung die kleinen Härchen auf den Armen aufstellen. Automatisch hob sie den Kopf.
„Was ist?“
„Nichts.“ Das Prickeln wurde von Sorcéri – wie Cullen sie nannte – verursacht, kleine Fetzen reiner, ursprünglicher Magie, die frei umherschwirrten, bis sie absorbiert wurden. Sie wurden vom Ozean, von Netzknoten oder von Gewittern abgegeben und von Drachen angezogen. Sie suchte den Himmel nach Sam ab – der oftmals Sorcéri hinterließ –, aber der Himmel war so leer und blau wie ein abgestürzter Computerbildschirm.
Doch meist wollte Sam auch gar nicht gesehen werden. Cullen behauptete, dass Drachen sich nicht wirklich unsichtbar machen konnten; es handle sich um eine Phasenverschiebung, so wie bei Dämonen. Was auch immer das heißen sollte. „Schicken Sie mir bitte eine Kopie Ihres Berichts.“ Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Mist. Rule, wir müssen los.“
Die Party fing zwar erst um sieben Uhr an, aber sie fand auf dem Clangut statt, das zwanzig Minuten Autofahrt von der Stadt entfernt lag. Und sie hatte noch einiges zu erledigen; die Babyparty war nur ein Teil der Festivitäten.
Rule war den ganzen Tag auf dem Clangut gewesen und hatte alles für den anderen Teil der Feier vorbereitet. Er war nur zurück in die Stadt gekommen, um sie abzuholen, weil sie weder ihr Privatauto noch ihren Dienstwagen zur Verfügung hatte. Ihr sechs Jahre alter Toyota brauchte ein neues Getriebe, und der Dienstwagen war immer noch in Eagle’s Nest, wo es eine kleine Werkstatt gab.
Wie sich nämlich herausgestellt hatte, mochte der Bär den Geruch von Lupi nicht. Und ein zweihundert Kilo schwerer Schwarzbär kann, wenn er das Dach eines Wagens als Trampolin benutzt, erstaunlich viel Schaden anrichten.
Als Lily in Rules Mercedes einstieg, war sie schon dabei, die Nachrichten auf ihrem iPhone abzufragen. Die Babyparty mit einer traditionellen Lupus-Babyfeier zu kombinieren, hatte sie zuerst für eine gute Idee gehalten.
Selig sind die Unwissenden. Und die Wirklichkeit war ernüchternd.
Keine dringenden Nachrichten, deswegen tippte sie schnell ein paar Fakten über den Unfall ein, als sie vom Tatort wegfuhren. Langsam wurde sie richtig gut im Simsen. Nicht so flink wie ein Teeny, aber geschickt genug, um sich Notizen zu machen. „Was machen die Rippchen?“, fragte sie Rule, ohne aufzusehen. „Es schadet doch nichts, dass wir ein bisschen später kommen, oder?“
„Sie sind noch im Grill. Isen fängt mit dem Huhn schon ohne mich an, mit ein bisschen Hilfe von Toby. Er freut sich schon auf heute Abend.“
„Gut.“ Sie hob den Blick. „Gut für Toby, meine ich, und dass dein Vater dich tatkräftig unterstützt. Wenn der Rho beim Barbecue mitmacht, ist das doch gut für den Status, oder?“
Er trommelte mit den Fingern auf dem Steuer. „Ich weiß gar nicht mehr, warum ich dir eigentlich die politischen Dimensionen einer Kindsfeier erklärt habe.“
„Weil ich dir keine andere Wahl gelassen habe.“
„Oh, ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Um deine Frage zu beantworten: Nein, Isen ist mein Vater, was allgemein bekannt ist, deshalb hat die Tatsache, dass er mir dabei hilft, ein Huhn zu grillen, keine besondere Bedeutung. Es soll vorkommen, dass Väter ihren Söhnen zur Hand gehen.“
Sein humorloser Ton irritierte sie. „Wie soll ich verstehen, was für die Rangfolge von Bedeutung ist, wenn ich nicht frage?“ Sie legte das Telefon weg. „Glaubst du, wir haben genug Rinderbrust? Und Rippchen? Wir können noch welche von
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