Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolf Shadow Bd. 6 - Blutmagie

Wolf Shadow Bd. 6 - Blutmagie

Titel: Wolf Shadow Bd. 6 - Blutmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Wilks
Vom Netzwerk:
aber zu dem Schluss, dass es wenig zweckdienlich wäre und entschied sich, einigen seiner Untergebenen zu gestatten, größer zu sein als er.
    Johnny war stolz auf seinen Sinn für Zweckdienliches. Sinn für das Praktische, Geduld und Toleranz – das waren seine Haupttugenden. Immerhin war er der Frau nicht böse, weil sie so groß war. Dafür konnte sie ja nichts. Stattdessen hatte er sich schon auf den Tag gefreut, an dem unangenehm große Frauen nicht mehr Teil seines täglichen Lebens sein würden.
    Außerdem war er ein bescheidener Mann. Wie sollte ein Mann erfolgreich sein, wenn er nicht seine eigenen Grenzen kannte? Er zum Beispiel wusste, dass er nicht besonders intelligent oder mutig war. Aber er war auch nicht dumm oder feige. Als er jung war, hatte er geglaubt, man müsse entweder das eine oder das andere sein. Jetzt wusste er, dass dies nur die jeweiligen Endpunkte – Hinweisschilder, könnte man auch sagen – eines langen Weges waren. Die meisten Leute befanden sich irgendwo zwischen diesen beiden Schildern und nicht an dem einen oder dem anderen Ende. Im Laufe des Lebens kam man vielleicht ein wenig dem einen oder dem anderen Schild näher, aber an der naturgegebenen Position konnte man nicht viel ändern.
    Er verstand auch, dass er in zweierlei Hinsicht außergewöhnlich war. Eine Laune der Natur hatte es gewollt, dass er die Gabe ererbt hatte, Magie zu sehen und zu nutzen. Zauberei war selten und wertvoll, aber er bildete sich nichts auf diese Fähigkeiten ein, so wie er sich auch keine Schuld dafür gab, dass er nicht sehr intelligent war. Weder das eine noch das andere hatte er selbst verursacht. Er war einfach so geboren worden.
    Johnnys zweiter außergewöhnlicher Zug war weniger offensichtlich – in der Tat war er für die meisten Menschen unsichtbar und wurde allgemein als krank oder pervers bezeichnet. Ein Vorurteil natürlich, aber die meisten Menschen waren leider recht beschränkt. Ging es nach ihnen, trügen Gut und Böse die Farben Weiß und Schwarz, um sie einfacher auseinanderhalten zu können. Nur wenige verstanden, wie dehnbar diese Eigenschaften waren. Moralisches Verhalten hing immer von den Umständen ab.
    Historiker sollten dies längst begriffen haben, wenn schon nicht die unaufgeklärte Masse. In wie vielen Zeitaltern und Kulturen war Folterung von Feinden zulässig, ja, sogar richtig gewesen? In manchen Kulturen war es verpönt, Tierfleisch zu essen, in anderen wiederum wurden Jäger verehrt. Und wie viele unterschiedliche Vorstellungen über ein gesundes Sexualverhalten es gab!
    Und doch hielten die Menschen an der Idee fest, dass manche Handlungen von Natur aus gut waren und dass der, der sie ausführte, dadurch gut wurde. Andere waren von Natur aus böse, und sie wurden nur von Bösen begangen.
    Und war nicht Englisch in mancher Hinsicht eine ausdrucksstarke Sprache? Der Gedanke war Johnny schon oft gekommen, seitdem er die Sprache gelernt hatte, und er hatte ihn immer wieder aufs Neue amüsiert. Man verschrieb sich dem Bösen, nicht dem Guten. Gutes wurde einfach getan. Handelte man, als sei man gut, war man es auch, zumindest in den Augen der anderen.
    Aber die Menschen unterschieden sich nicht gern von ihren Artgenossen. Selbst jetzt, obwohl sie so viele faszinierende Dinge über das Gehirn herausgefunden hatten, behaupteten die Wissenschaftler immer noch, Anomalien seien Makel, Fehler, Probleme, die behoben werden müssten.
    In Anbetracht seiner zweiten außergewöhnlichen Eigenschaft hatte Johnny sich schon immer für solche Dinge interessiert. Er hatte viele populärwissenschaftliche Berichte über Hirnforschung und Psychologie gelesen und sehr zufrieden festgestellt, dass er nicht das war, was die Fachleute einen Psychopathen nannten. Was auch immer in seinem Hirn falsch verkabelt war, es hielt ihn nicht davon ab, tiefe emotionale Bindungen einzugehen.
    Von Psychopathen sagte man auch, ihnen mangele es an Empathie. Das war ganz sicher bei ihm nicht der Fall. Wie hätte es ihm sonst so viel Freude bereiten können, jemandem Schmerzen zuzufügen oder sie zu empfinden, wenn er unfähig wäre, die Gefühle anderer nachzuempfinden?
    Ohne Zweifel hätte er die allgemeine Auffassung geteilt, wenn er „normal“ gewesen wäre. Als er mit seiner weißen Einkaufstüte aus dem Bus stieg, lachte Johnny leise. Außerdem wäre er schon lange tot, wenn er ohne seine andere außergewöhnliche Eigenschaft geboren worden wäre. Seine Schöne hätte sich nicht in ihn verliebt, wenn

Weitere Kostenlose Bücher