Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
egal was sie trugen. Vielleicht lag es an den Schultern oder an den Läuferbeinen oder einfach an seiner anmutigen Art sich zu bewegen. Heute war er ganz in Schwarz gekleidet, wie immer – schwarze Hose mit einem schwarzen Hemd, dessen Ärmel er aufgekrempelt hatte. Er war barfuß.
Wahrscheinlich war es seltsam, dass sie seine Füße sexy fand, wenn er ganz offensichtlich böse auf sie war. Und nicht ohne Grund, musste sie zugeben. Wenn es umgekehrt gewesen wäre, wäre sie stinksauer. »Okay.«
Seine Brauen schossen in die Höhe. »Okay? Einfach so?«
»Unter einer Bedingung. Wir streiten uns nicht wieder darüber, ob ich Bodyguards brauche.«
Er überlegte einen Moment. »Vertagen wir das Thema fürs Erste. Aber ich behalte mir das Recht vor, es wieder anzusprechen, falls die Situation es erfordert.«
»Rule, ich kann nicht mit Lupus-Bodyguards durch die Gegend laufen! Abgesehen davon, dass Friar seinen Spaß daran haben wird, wenn er es herausfindet – und er wird es irgendwann herausfinden – , verstößt es gegen den Grundsatz der Vertraulichkeit. Zivilisten dürfen bei Ermittlungen nicht anwesend sein.«
»Ich dachte, wir hätten das Thema vertagt.«
Sie schnaubte. »Warum kommt es mir so vor, als hättest du gewonnen, wenn ich doch eigentlich bekommen habe, was ich wollte.«
Er lächelte, schnell und ungezwungen. »Weil du eine zutiefst misstrauische Frau bist. Und was diese Drohbriefe angeht – «
Eine Herde Elefanten kam durch den Flur, der zum Schlafzimmer führte, getrampelt. Eine Sekunde später kam die Herde in Sicht: ein neun Jahre alter Junge mit dunklem Haar und den Augenbrauen seines Vaters. Er trug Unterhosen – und sonst nichts.
Toby kam schlitternd vor ihnen zum Stehen. Er grinste. »Ich habe Hunger! Was gibt’s zum Frühstück?«
»Hamburger«, sagte Rule. »Aber du scheinst noch nicht fertig zu sein.«
»Das ist meine neue Strategie«, erklärte Toby. »Hi, Lily. Du bist ganz verschwitzt.«
»Das stimmt«, bestätigte sie, erstaunt über das Gefühl, das sich in ihr regte. Wie war es möglich, dass sie so für einen Jungen empfand, den sie erst so kurz kannte? »Ich brauche eine Dusche.«
»Ich habe schon gestern Abend geduscht. Das gehört ebenfalls zu meiner Strategie. Wenn Dad sagt, ich soll aufstehen, lege ich meine Kleider bereit, aber ich ziehe sie erst nach dem Essen an. So brauche ich keine Angst zu haben, mich zu bekleckern. Na ja, abgesehen von meiner Unterwäsche, aber wenn ich darauf Flecken mache, sieht es ja keiner.«
Rule nickte nachdenklich. »Ich glaube, das nennt man eine Taktik, keine Strategie. Eine Taktik meint die Mittel, mit denen man ein bestimmtes Ziel erreichen will. Eine Strategie ist der übergeordnete Plan, wie man Mittel und Ressourcen einsetzt, um ein Ziel zu erreichen.«
»Ja?« Toby dachte darüber nach. »Dann ist es also meine Strategie, meine Kleider sauber zu halten, und meine Taktik, sie nicht zu tragen, wenn ich esse.«
»Ganz genau. Unglücklicherweise funktioniert diese Taktik nur zu Hause.«
»Na klar! In der Schule würden die anderen doch denken, ich hätte sie nicht mehr alle, wenn ich mich zum Mittagessen in der Cafeteria ausziehen würde.«
»Damit ist diese Taktik wirkungslos. Das übergeordnete Ziel wird es sein, dass du lernst, dich nicht mit Essen zu bekleckern.«
Toby machte ein trauriges Gesicht. »Du meinst, ich soll mich anziehen.«
»Ich fürchte, ja.«
»Wenn ich bei Grandpa bin, muss ich mich nie vor dem Frühstück anziehen.«
Grandpa war Rules Vater, Isen Turner – der Rho der Nokolai. Die Zeit bis zum Schulanfang hatte Toby bei ihm auf dem Gut des Clans verbracht.
»Das war während der Sommerferien«, sagte Rule entschieden. »Wenn die Schule anfängt, gelten andere Regeln.«
Das war ein vielsagendes Argument. Bis vor zwei Monaten, als Rule endlich das Sorgerecht erhalten hatte, war der Junge von seiner Großmutter mütterlicherseits aufgezogen worden, Louise Asteglio. Lily wusste, dass Louise darauf bestanden hatte, dass Toby bekleidet zum Frühstück erschien.
Toby zog ein Gesicht. »Aber – «
»Toby.«
Toby seufzte schwer. Dann hellte sich seine Miene wieder auf. »Hamburger?«
Rule nickte.
»Machst du für Lily auch einen?«
Auf diese Frage antwortete sie selbst. »Ich habe schon vor dem Laufen gegessen. Sport auf leeren Magen ist nicht gut.«
»Ja, aber … Hamburger. Zum Frühstück .«
So etwas hatte es bei seiner Großmutter in North Carolina nicht gegeben. Und bei Lily zu Hause, als
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