Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
verstehe nicht, warum die Dame so etwas tut«, brach es aus Benedict heraus. »Ich verstehe es einfach nicht.«
»Ich auch nicht«, sagte Isen sanft.
»Noch nie ist es einem Lupus zweimal passiert. Selbst einmal ist selten. Zweimal ist … « Benedict erschauderte. Sein Vater hatte recht, wie gewöhnlich. Er konnte nicht davor davonlaufen. Ihm blieb keine andere Wahl, als zu bleiben und sich zu stellen. Seine Stimme wurde zu einem Flüstern. »Schon lange habe ich nicht mehr solche Angst gehabt. Schon sehr lange.«
»Und du weißt nur, wie sie aussieht, sonst nichts weiter?«
Benedict hatte sie seinem Vater im Rahmen seines Berichts beschrieben: Ende zwanzig, Anfang dreißig, knapp ein Meter siebzig, dünn, blasse Haut, Brille, wirre Locken, zu einem Zopf zurückgebunden. Welche Farbe dieses wilde Haar hatte, konnte er nicht sagen, nur dass es weder besonders dunkel noch besonders hell war. Wölfe sahen zwar sehr gut im Dunklen, konnten aber nachts keine Farben erkennen.
Dafür wusste er, wie sie roch. Er hatte nicht versucht, ihren Duft seinem Vater zu beschreiben oder welche Wirkung er auf ihn hatte. Er wusste, dass sie die ganze Zeit über Angst gehabt hatte – bevor sie ihn gesehen hatte, in dem Moment, als sie ihn entdeckte und während er neben ihr herging. Doch sie hatte sich nicht von ihrer Angst beherrschen lassen.
»Sie wusste, was ich bin.«
»Ach ja?«
»Vom ersten Moment an, als sie mich sah.« Ganz egal, was sie gesagt hatte. Ein leichtes Lächeln huschte über Benedicts Lippen. Braves Hundchen . »Sie ist nicht in Panik geraten, als ich geblieben bin. Sie hat versucht, mich zum Gehen zu bewegen, aber sie geriet nicht in Panik.«
Isen nickte. »Das ist ein gutes Zeichen. Und wie sagt doch das Sprichwort: ›Der Feind meines Feindes ist mein Freund.‹ Wenn sie gern nachts auf Friars Grundstück herumschleicht, spricht das nicht dafür, dass sie dem Mann freundlich gesonnen ist.«
Trocken sagte Benedict: »Ich glaube nicht, dass sie gern dort war. Abgesehen davon, dass es gefährlich ist, dessen sie sich sehr wohl bewusst war, hat sie irgendeine Art von Behinderung. Auf der linken Seite an der Hüfte, oder vielleicht auch am Knie. Ich konnte es nicht erkennen.«
»Du sagtest, sie hätte sich den Fuß verknackst.«
»Aber schon vorher war ihr Gang eigenartig. Nur ganz leicht, nichts, das einem sofort ins Auge springt. Ich vermute, dass sie sich daran gewöhnt hat. Es war nicht gerade erst passiert, sonst hätte sie besser auf das Bein achtgegeben.« Sie hatte gar nicht achtgegeben, weswegen sie ja auch auf dem Hintern gelandet war.
Und dann war er es gewesen, der nicht mehr achtgegeben hatte. Er war über den Bann gestolpert, hatte die Aufmerksamkeit der Wachen auf sie gelenkt und war gezwungen gewesen, sie allein zu lassen, um die Wachen von ihr abzulenken. »Sie hat eine Gabe«, sagte er plötzlich. »Ich weiß nicht, was für eine, aber sie wusste von dem Bann. Sie wusste genau, wo er war.«
»Dein Verstand fängt wieder an zu arbeiten.«
Benedict zog eine Grimasse. Er hätte früher daran denken sollen, gestern Nacht, spätestens, als er in einem Bogen zurückgelaufen und ihrer Fährte gefolgt war, um sich zu vergewissern, dass sie hatte entkommen können.
Aber er hatte nicht nachgedacht. Er hatte nur gefühlt. Viel zu viel. »Eine Gabe wäre nicht die einzige Möglichkeit. Vielleicht hat sie so etwas wie diesen Feenstaub, den Seabourne für mich gemacht hat.« Das magische Puder, das Seabourne auf Benedicts Pfoten gerieben hatte, sorgte dafür, dass sie kitzelten, wenn er in die Nähe eines Schutzbannes kam. Deswegen war er gestern bei Friar gewesen – um die Banne auf Wolfsart zu markieren, mit ein paar Tropfen Urin, damit seine Leute den Mann beobachten konnten, ohne den Alarm zu aktivieren.
»Möglich. Du musst Cullen fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass noch jemand außer ihm so etwas zustande bringt.«
Cullen Seabourne war ein Nokolai … doch erst seit Kurzem. Er war als Etorri geboren worden, aber sein Clan hatte ihn verstoßen, weil er auch ein Zauberer war, was gegen die natürliche Ordnung verstieß. Lupi wirkten keine Magie. Sie waren Magie. Es war unvorstellbar, dass ein Lupi Magie sehen und sie anwenden konnte.
Cullen Seabourne konnte es. Er verstieß gegen Regeln. Nur so hatte er in den Jahren als einsamer Wolf, als Clanloser, überleben können. Wenn er die Normalität akzeptiert hätte, hätte er sich umgebracht – entweder durch Suizid oder indem er die
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