Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
aufgenommen werden. Die, die überlebten. Die, die nicht durch den Todesschock wahnsinnig wurden. »Ja«, sagte sie langsam, »aber das ist eine verrückte Frage.«
Leg die Hand auf seine Brust.
Sie zog ihre Hand aus Lucas’ Griff und legte sie auf die Brust des sterbenden Mannes. Sie spürte, wie die Magie seinen Körper hochströmte. Wie seltsam. Sie schien sich von seiner Bauchgegend zu seiner Brust zu bewegen, zu seinem Hals … »Brian hatte eine Halluzination. Sie hat ihm Frieden gebracht, das ist gut. Aber ich weiß nicht, was du für eine Entschuldigung hast«, sagte sie zu Rule.
Beuge dich näher zu ihm.
»Selbst wenn ich seine Magie aufsaugen könnte«, fuhr sie fort und beugte sich tiefer, »würde es nichts helfen. Wenn ich sie einmal absorbiert habe, wird sie zu meiner Magie.«
Atme seinen Atem ein.
»Es wäre keine Clanmacht mehr«, endete Lily mit dem Gesicht über Brians. Sein Atem war schwach, aber spürbar, ihr eigener Atem sank in seinen Mund …
Was zur Hölle? Was tat sie denn da?
… und mit dem letzten Atemzug des Sterbenden strömte lebendige Magie aus ihm. Und in ihren Mund.
Hastig richtete Lily sich auf. Ihre Hände wurden taub. Ein Kitzeln überlief die Innenseite ihrer Haut. Sie konnte nicht atmen. Er nahm ihr die Luft, dieser riesige Ball von Magie – Fell und Kiefernnadeln und Mondlicht –, nein, er kam in ihrem Bauch zur Ruhe. Groß und lebendig und nicht sie . Kein Teil von ihr, fremd.
»Er ist tot«, sagte Lucas ruhig.
»Leck mich am Arsch«, sagte Cullen. »Leck mich am Arsch, sie hat es getan.«
»Lily?« Rule nahm ihre Hand und betrachtete forschend ihr Gesicht. »Alles in Ordnung?«
Sie sah hinunter auf ihren Bauch. »Ich habe das Gefühl, als müsste ich rülpsen.«
48
Zwei Wochen später, in Nordkalifornien
Das erste Mal war Lily anlässlich einer Beerdigung auf dem Clangut der Leidolf gewesen. Ein junges Clanmitglied war zu Tode gekommen, als er mit ihr und Rule zusammen gegen einen Dämon gekämpft hatte. Damals hatte der bösartige und verrückte Rho der Leidolf versucht Rule umzubringen, indem er ihm die Thronfolgermacht der Leidolf aufgedrängt hatte. Doch dann war alles anders gekommen, als Victor es beabsichtigt hatte.
Jetzt war sie wieder hier, um jemandem das letzte Geleit zu geben. Sie und Rule waren sogar in dem gleichen Zimmer wie damals untergebracht. Er hatte sich geweigert, im Zimmer des ehemaligen Rhos zu schlafen.
»Ich kann nicht glauben, dass die Wehen heute eingesetzt haben«, sagte Lily und schob die Arme in die Ärmel des seidenen T-Shirts, das sie für die Zeremonie ausgesucht hatte, und hob sie dann vorsichtig an, damit es über ihren Kopf gleiten konnte.
Dazu war sie jetzt immerhin schon imstande. Sich anzuziehen, sich die Haare zu waschen, sogar ihr Schulterholster zu tragen. Sie musste immer noch vorsichtig sein, aber sie konnte wieder ganz normale Dinge tun.
»Ich glaube kaum, dass sie das so geplant hatte«, sagte Rule. Er war gerade mit Zähneputzen fertig und stieg in seine Jeans. Lupi kleideten sich für eine solche Gelegenheit sehr zwanglos. »Aber ich wünschte, wir wären dort.«
»Nicht dass sie uns brauchen würde.« Lily schlüpfte in ihre flachen Schuhe. Lupi gaben sich vielleicht zwanglos, aber sie brachte es nicht über sich, Sportschuhe zu einem firnam zu tragen. »Sie hat ja Nettie und Cullen.«
Die erste Vollmondnacht war vorübergegangen, ohne dass Lily den Drang zu heulen verspürt hätte, geschweige denn, den Trick entdeckt hätte, sich ein Fell wachsen zu lassen. Zuerst hatte Cullen ihr versichert, dass das nicht passieren würde, danach die Rhej der Nokolai. Sie hatte mit niemandem darüber gesprochen, was sie empfand. Sie konnte es ja sich kaum selbst eingestehen. Eine Clanmacht zu babysitten machte sie nicht zu einem Lupus.
Es hatte sich herausgestellt, dass es einen vergleichbaren Fall wie ihren gab, von dem jedoch weder die Etorri noch die Rhejes etwas gewusst hatten. Vor dreitausend Jahren hatte es eine Rhej gegeben, keine Auserwählte, die die Macht der Etorri siebzehn Tage lang bewahrt hatte, bevor sie einen Etorri-Lupus gefunden hatte, der sie übernehmen konnte.
Möglicherweise würde Lily sehr viel länger als siebzehn Tage warten müssen. Der Einzige, der genug Blut des Wythe-Gründers in seinen Adern hatte, war zu jung, um sich zu wandeln, geschweige denn, die Macht und die Führung seines Clans zu übernehmen. Doch bald würde Lily zum Clangut der Wythe reisen, den gesamten Clan kennenlernen
Weitere Kostenlose Bücher