Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
Magielevel der Erde auch in größerer Entfernung der Knoten an, und Magie vertrug sich nicht mit Technik. Es hatte sich gezeigt, dass ein oder zwei Personen mit einer Gabe an Bord die Störungen der Instrumente deutlich reduzierten. Der Theorie nach lag das daran, dass Begabte unbewusst Energie absorbierten.
In ihrem Falle stimmte die Theorie. Lily hatte auf sehr unangenehme Weise herausgefunden, dass sie freie Magie aufnahm, so wie es auch die Drachen taten – wenn auch sehr viel weniger als sie. Doch sie war in der Lage, es bewusst und zielgerichtet anzuwenden. Bei anderen Personen.
Zweimal hatte sie nun schon jemandem die Magie genommen.
Das erste Mal war es ein Unfall gewesen. Damals hatte eine Mörderin mit ihrer Erdgabe ein Erdbeben ausgelöst. Lily hatte sie aufgehalten, ohne zu wissen, was sie getan hatte, ganz zu schweigen davon, wie. Als die Frau danach keine Gabe mehr hatte, hatte Lily angenommen, sie wäre nur ausgebrannt gewesen.
Das zweite Mal jedoch hatte Lily genau gewusst, was sie tat. Nur so hatte sie ihren eigenen Tod und den der meisten der Menschen, die sie liebte, verhindern können. Und ohne ihr Eingreifen wäre zumindest Südkalifornien in einem nicht enden wollenden Albtraum versunken, damit ein außerirdisches Wesen sich an der Angst der Menschen laben konnte.
Sie bedauerte nicht, es getan zu haben. Wohl hatte sie manchmal Albträume – hallo Helen, du wieder hier? – , aber Bedauern empfand sie nicht. Trotzdem hatte Lily sich noch nicht mit allem, was sie in der letzten Zeit über sich erfahren hatte, abfinden können. Denn es hatte sich herausgestellt, dass ihre Gabe keine menschliche Fähigkeit war. So wie die Gedankensprache – die sie immer noch nicht beherrschte – , war sie ein Erbe, von dem sie bis zum letzten Monat nichts geahnt hatte.
Ein Erbe der Drachen.
Sam wollte nicht, dass sie ihn Großvater nannte – Gott sei Dank – , aber aus magischer Sicht war er es, auch wenn sie nicht per DNA verwandt waren.
Lily trommelte mit den Fingern. Warum musste sich ständig alles verändern? Gerade das letzte Jahr war von ständigem Wandel geprägt gewesen. Dinge, die sie immer sicher über sich zu wissen geglaubt hatte, entglitten ihr plötzlich, waren weder ganz falsch noch ganz wahr.
Wollte sie ein Kind? Ja, gab sie zu, durch das dicke, von Wolken verdunkelte Glas des kleinen Fensters blickend. Oder nein, nicht wirklich. Wenigstens nicht jetzt sofort. Oder vielleicht war es doch ein Ja, wenn auch mit vielen Einschränkungen. Aber die Entscheidung lag ja nicht allein bei ihr, nicht wahr?
Rule glitt auf den Sitz neben ihr. »Anscheinend regnet es in Nashville«, sagte er und zog den Sicherheitsgurt fest.
»Anscheinend. Du bist entspannt. Beruhigt es dich, ein schreiendes Baby herumzutragen?«
»Ein süßes Kerlchen, was?«
»Warst du mal ein Pfleger?« So nannten Lupi die Clanmitglieder, die sich um die Kinder auf dem Clangut kümmerten. Es gab zwar auch einige ständige Pfleger, doch die meisten übernahmen diese Aufgabe für ein oder zwei Jahre, damit alle einmal drankamen. Die Kinderpflege war sehr begehrt.
»Ja, eine Weile, als ich etwa Ende zwanzig war.« Er lächelte in Erinnerung daran. »Vier Monate war ich bei den Babys und drei bei den unter Dreizehnjährigen. Später wurde ich dann kurz zu den Kleinkindern eingeteilt – das ist echte Schwerstarbeit.« Aber seine Miene sagte, dass er sich gern daran zurückerinnerte.
»Damals warst du noch nicht der Lu Nuncio?«
Er schüttelte den Kopf. »Sobald ich berufen wurde, hatte ich andere Pflichten.«
Sie zögerte. »Rule, als wir uns kennenlernten, sagtest du, dass ein Lu Nuncio sich durch Blut, Kampf und Fruchtbarkeit beweisen muss. Damals gehörte ich noch nicht zum Clan, deswegen konntest du nicht von dem … äh … dem Ding sprechen, das ich hier nicht erwähnen kann.« Die Clanmacht nämlich. Nur die, die mit dem Rho durch Blut verbunden waren, konnten sie in sich tragen – das war das Element »Blut«. Kampf bedeutete genau das, was es war, aber Fruchtbarkeit … »Du wurdest, lange bevor Toby geboren wurde, zum Lu Nuncio ernannt.«
Seine Miene fiel in sich zusammen, wurde ausdruckslos. Nach einem Augenblick sagte er: »Als ich dreißig war, wurde eine Frau, mit der ich zusammen war, schwanger. Das Kind war von mir. Sie hatte eine Fehlgeburt, aber damit hatte ich meine Fruchtbarkeit bewiesen.«
Lily nahm seine Hand. Sie sagte nichts, stellte keine der Fragen, die ihr auf der Zunge brannten. Die
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