Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
noch nie gefühlt.«
Lily ergriff das Wort. »War es Raserei, Ray?«
Cobbs Blick zuckte zu Rule. Rule nickte, um ihm zu sagen, dass es in Ordnung war, darüber zu sprechen, wenn der Rekorder lief.
»Das muss es gewesen sein. Es war anders, als ich es in Erinnerung hatte, aber das ist schon lange her, vielleicht trügt mich mein Gedächtnis. Raserei, ja … nur dass es mir nicht um Feinde oder Gewinnen ging, es war nur … Raserei.«
Von jetzt an übernahm Lily. Sie stellte gezieltere Fragen: Wer befand sich in seiner Nähe, als es anfing? Was hatte er gegessen, was getrunken? Hatte er sich bedroht gefühlt? Hatte er speziell Reynolds töten wollen?
Er hatte drei Hamburger und eine Handvoll Pommes gegessen. Er hatte zwei oder drei Cokes getrunken … nein, nicht aus der Dose, sondern aus einem von diesen roten Plastikbechern. In den letzten hatte jemand Alkohol geschüttet … klar, seine menschlichen Freunde taten das manchmal. Sie wussten nicht, dass er ein Lupus war, deswegen neckten sie ihn, weil er ein Abstinenzler war. Er hatte den Becher nicht leergetrunken. Er mochte den Geschmack von Bourbon nicht.
Er erinnerte sich nicht, wer außer Sonja und Reynolds in seiner Nähe gestanden hatte. Er hatte einfach die Nächstbesten getötet. Zu diesem Zeitpunkt hatte ihn nur die Rage beherrscht – keine Erinnerungen, keine Gedanken, keine Ängste.
Lily sagte: »Und trotzdem kamen Sie fast wieder zu sich, als Sie Sonja getötet hatten.«
»Fast.« In seinen Augen lag ein gequälter Ausdruck. »Knapp daneben ist auch vorbei, oder? Fast zählt nicht.«
Rule sagte ruhig: »Was war mit deinem Wolf, Ray? Der Mond ist dreiviertel voll. Dein Wolf war stark, und doch hast du dich nicht gewandelt. War dein Wolf auch in Rage?«
Ray blinzelte vor dumpfer Verblüffung. »Keine Ahnung. Ich war nicht mehr genug ich, um zu merken, ob mein Wolf auch in Rage war, und ich habe auch nicht dran gedacht. Mich zu wandeln, meine ich.«
Er wurde offensichtlich müde, die Schmerzen gewannen die Oberhand. Rule warf Lily einen Blick zu. »Er ist erschöpft. Er wird dir antworten, solange du ihm Fragen stellst, weil ich es ihm befohlen habe, aber ich glaube, er braucht Ruhe.«
»Nun gut.« Das V zwischen ihren Brauen zeigte ihm, dass sie ebenso wenig wie er zufrieden war mit dem, was sie bisher erfahren hatten. »Mr Cobb, auf Grundlage der Abschrift dieser Befragung bereiten wir eine Aussage vor – ein Geständnis. Morgen früh bringe ich es Ihnen zur Unterschrift.«
Cobb nickte schwach. Doch sein Griff war nicht schwach, als er nun Rule packte. »Sie ist fertig. Du hast gesagt, ich könnte meine Bitte äußern, wenn sie fertig ist.«
»Ja.« Rule sah zu dem Rekorder und hob schweigend die Brauen, um zu fragen, ob er abgestellt werden könnte.
Lily erwog die Bitte kurz und stoppte dann die Aufnahme.
»Ich habe dem Clan Schande bereitet.« Cobb war heiserer denn je, aber auf seinen Augen lag nicht mehr der trübe Film der Verzweiflung. Sie brannten. »Ich muss unschädlich gemacht werden. Das verstehe ich. Aber ich kann nicht in einem Käfig leben. Sie werden mich betäuben, mich mit dieser gottverdammten Droge vollpumpen und mich wegsperren. Vielleicht verdiene ich das, weil ich Sonja getötet habe, aber ich … etwas ist in mir zerbrochen. Ich habe nicht … ich konnte nicht – « Er hielt inne. Schluckte. »Ich bitte um eine letzte Gnade von meinem Rho.«
Das hatte Rule erwartet. Langsam nickte er. »Dein Rho gewährt dir – «
»Moment mal«, sagte Lily scharf. »Warte. Bittet er dich, ihn zu töten?«
»Er bittet um nichts, das illegal wäre.«
»Weil er sich erst wandeln wird. Das meinst du doch, oder? Nein .«
Cobbs Blick schoss zu ihr, dann wieder weg, als wäre sie nicht von Bedeutung. Er war über siebzig und ein Leidolf. Es kam ihm nicht in den Sinn, dass eine Frau mitzureden hatte.
Rule wusste es besser, aber dieses Mal würde es nicht nach Lilys Willen gehen. Mitleid, Bedauern, Wut, Angst – alle diese Gefühle ballten sich in seinem Magen zusammen, in seiner Kehle. Sie brannten sich ihren Weg wie Eis, ein kaltes Brennen. »Ich sage dir nicht, wie du deine Pflicht zu tun hast. Und du sagst mir nicht, wie ich meine zu tun habe.«
»Du wirst nicht meinen Zeugen töten. Egal ob er Fell hat oder nicht.«
»Die Ehre gebietet es mir, ihm seine Bitte zu gewähren, es sei denn, ich bin der Überzeugung, dass er es verdient zu leiden. Und das glaube ich nicht.«
»Vergiss es.« Sie drückte sich auf die Füße. »Ich
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