Wolf Shadow Bd. 8 - Tödlicher Zauber
… sie fühlt sich an, als wäre sie lebendig.«
»Oh, ja.«
»Aber du sagtest – «
»Ich sagte, sie ist ein magisches Konstrukt. Ich sagte nicht, dass sie nicht lebendig sei. Artefakte sind sehr mächtige Talismane. Konstrukte sind – und jetzt pass auf, denn jetzt wird’s kompliziert – konstruiert . Und wenn die Clanmacht ein Bewusstsein hätte – «
»– dann wäre sie zu vernünftigen Überlegungen fähig. Was mir, zugegebenermaßen, im Moment recht schwerfällt.« Sie schüttete das frisch gemahlene Kaffeepulver in die isolierte Pressstempelkanne, die sie Rule vor einigen Monaten geschenkt hatte. »Dann ist die Clanmacht also lebendig, aber sie kann nicht denken.«
»Lass uns lieber nicht versuchen, das Wort denken zu definieren. Es reicht, wenn wir sagen, dass man mit einer Clanmacht nicht vernünftig reden kann und dass sie selbst keine Anzeichen von Vernunft zeigt, was eben der Grund dafür ist, dass sie etwas bewirkt, was dir nicht guttut. Aber Lebewesen sind fähig zu lernen oder sich anzupassen. Die einen mehr, die anderen weniger. Mit der Lernfähigkeit von Pflanzen ist es nicht weit her, aber sie sind in der Lage, sich bis zu einem gewissen Grad anzupassen.«
»Was für ein Lebewesen ist dann die Clanmacht? Pflanze, Virus, Bakterie, süßes kleines Kätzchen?«
»Ein unsterbliches.«
Sie starrte ihn an. »Aber Clanmächte können sterben. Deswegen habe ich doch die Macht der Wythe hier in mir drinnen, die all diese Probleme verursacht – damit sie nicht stirbt.«
»Wenn der Träger der Clanmacht stirbt, ohne dass es einen Erben gibt, der sie übernehmen könnte, dann ist die Macht verloren, nicht tot. Der konstruierte Teil ist zerstört. Der lebendige Teil kehrt dorthin zurück, wo er herkam. Zurück zu der Dame. In den Clanmächten ist immer auch ein bisschen vom Leben der Dame.«
Das ergab auf eine seltsame Weise Sinn. Die Clanmächte bewahrten die Lupi davor, dass das Tier in ihnen die Kontrolle übernahm. Sie verliehen den Rhos eine Autorität, die buchstäblich unbestreitbar war … und die Dame der Lupi war die einzige Autorität, die sie nicht infrage stellen würden oder konnten. »Warum wusste ich das nicht?«, wollte sie wissen. »Wie oft habe ich Rule Fragen über die Clanmächte gestellt! Und mit der Rhej der Nokolai habe ich auch darüber gesprochen. Warum weiß ich das nicht längst?«
Cullens Mundwinkel hoben sich. »Weil es ein Geheimnis ist.«
»Fünfundneunzig Prozent von dem, was euch betrifft, ist ein Geheimnis!«
»Dies ist ein Geheimnis, das fast niemand weiß. Nur die Rhejes und die Träger der Mächte wissen davon.«
»Wie kommt es dann, dass du … oh.« Cullen war als Etorri geboren worden, nicht als Nokolai. Die Etorri waren ein sehr kleiner, sehr ehrenhafter Clan, dessen Thronfolger-Macht – aus komplizierten historischen Gründen – auf alle Clanmitglieder verteilt war und nicht nur bei dem lag, den ihr Rho als Thronfolger ernannt hatte. Das war – wie konnte es auch anders sein – ein Geheimnis, was wiederum bedeutete, dass Cullen einmal einer der Träger der Macht gewesen war. Zwar nur eines kleinen Teils, doch er wusste, wovon er sprach. »Indem du mir das sagst, brichst du die Regeln.«
»Streng genommen trägst du auch eine Macht in dir. Du müsstest eigentlich verstehen, warum Rule die Selbstbeherrschung verliert.«
Ihr Blick flog zu der Vertiefung in der Wand. »Das ist nicht schwer zu verstehen.«
»Wenn er nur hin und wieder eine Delle in die Wand schlägt, können wir uns glücklich schätzen. Rule glaubt, dass die Dame ihn verraten hat.«
»Weil sie mir dieses Ding gegeben hat, ohne uns vorher zu sagen, was das für Folgen hat? Das macht mich auch wütend.« Eigentlich hätte Lily vorher zustimmen müssen, aber anscheinend scherten sich Große Alte nicht um Einverständniserklärungen.
»Lily.« Er seufzte. »Die Clanmacht der Wythe wirkt auf eine Weise, die eigentlich unmöglich sein sollte. Clanmächte schlagen keine Wurzeln. Sie werden von ihren Trägern kontrolliert – in gewissen Grenzen von den Thronfolgern und ganz und gar von den Rhos. Es gibt nur eine Ausnahme, wie diese Macht agieren kann, ohne von einem Rho gesteuert zu werden, denn sie stammt von der Dame. Wenn eine Macht etwas gänzlich Neues tut, müssen wir annehmen, dass sie sie steuert.«
» Sie bringt die Macht dazu, dass sie versucht, mich umzubringen?«
»Das ist nicht sehr wahrscheinlich«, sagte die Rhej der Leidolf.
Beinahe hätte Lily die Kaffeekanne
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